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Dampfnudelblues

Dampfnudelblues

Titel: Dampfnudelblues
Autoren: Rita Falk
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eben!«
    Und auf einmal hat er wegmüssen. Dringend. Wir haben einfach geglaubt, er fährt jetzt heim, um erst einmal den Schock zu verkraften. Aber er ist nicht heimgefahren. Ganz im Gegenteil. Er ist zum Bahnhof gefahren. Schnurgerade zum Bahnhof und weg war er. Auf Nimmerwiedersehen. Erst viel später, als das Kind schon längst da war, hat die Angie eine Karte von ihm gekriegt. Aus der Fremdenlegion. Praktisch direkt aus Frankreich. Das war ihm wohl immer noch lieber, als sein Mokick einzutauschen gegen einen Kinderwagen.
    Ja, wie gesagt, das muss so an die zwanzig Jahre her sein. Und heut seh ich ihn wieder. Ich persönlich finde das großartig.
    »Bruno? Das ist ja großartig, dass du wieder da bist. Seit wann bist du denn zurück?«, muss ich gleich fragen.
    Er fieselt am Türschloss herum und schaut mich noch nicht einmal an.
    Die Tür floppt auf, das ging ja schnell.
    »Erst seit Kurzem«, sagt er knapp und schaut auf seine Hände. Sie sind jetzt voller Schmiere.
    »Kann ich mir irgendwo die Hände waschen?«, fragt er und hält mir die schmutzigen Griffel direkt vor die Augen.
    »Nur zu«, sag ich und tret vor ihm her ins Haus hinein. Er geht in das Gästeklo gleich neben dem Eingang und ich durchstreife inzwischen das Erdgeschoss. Rufe ein paar Mal nach dem Hausherrn, ohne ein Ergebnis. Es ist stickig in den Räumen und mein erster Weg führt zur Terrassentür. Die mach ich auf und – ah – Sauerstoff. Der Garten picobello, da gibt’s nichts zu meckern. Jeder Grashalm wie mitder Nagelschere geschnitten. Die Gartenmöbel schneeweiß und sauber, beinahe klinisch. Die Tröge, ich würd einmal sagen, geometrisch angeordnet, wenn auch der Inhalt durch die Wärme der letzten Tage leicht vertrocknet ist. Ich nehm erst mal die Gießkanne. Sehr schön hier, muss man schon sagen. Aber weit und breit kein Höpfl.
    Der Sieglechner kommt auf die Terrasse und trocknet sich gerade die Hände ab.
    »Ich bin dann fertig hier. Wohin soll ich die Rechnung schicken?«, fragt er.
    »Die schickst gleich nach Landshut in die Polizeiinspektion«, sag ich so.
    »Bist also tatsächlich bei den Bullen gelandet«, sagt er dann und lacht.
    Ich nicke.
    »Gehen wir vielleicht bald mal auf ein Bier zusammen? Hast doch sicherlich viel zu erzählen, oder?«, schlag ich vor.
    »Ich hab überhaupt nichts zu erzählen«, sagt er dann und dreht sich ab. »Servus, Eberhofer.«
    »Servus, Sieglechner«, sag ich zurück. Ja, also gesprächig ist der grad nicht. Das war früher ganz anders.
    Wie er weg ist, geh ich zuerst einmal hinauf. Ins Obergeschoss also. Mansarde, kein Speicher. Drei Türen im Gang, alle geschlossen. Ein Schlafzimmer, ein Bad, ein Büro. Im Badezimmer steht die Zahnbürste genau da, wo sie hingehört, auch vom Kämm- und Waschzeug scheint nichts zu fehlen. Ein Schlafanzug liegt auf dem penibel gemachten Bett, ebenso penibel gefaltet. In dem großen Doppelbett sind übrigens beide Seiten bezogen und das, obwohl er doch alleine lebt. Alles symmetrisch quasi.
    Im Büro reinlichste Ordnung, wie überall. Picobello sozusagen. Einrichtung modern, viel Glas und Stein, nichtsehr behaglich für meine Begriffe. Aber gut. Doch nirgendwo ein Höpfl.
    Der Gang in den Keller ist dann auch nur noch Routine, weil ich ehrlich gesagt nicht damit rechne, dass er jetzt ausgerechnet da unten rumhängt.
    Wäschekeller, Vorratskeller, Ausgang zum Garten. Auch hier alles sauber, fast wie geschleckt. Eine blaue Tischtennisplatte steht aufgestellt vor einer Wand. Und es ist eigentlich schade, dass der Sieglechner schon wieder weg ist, weil mir jetzt direkt nach einem Match wär. In einem der Kellerregale liegt ein Kofferset, sehr edel und staubunfreundlich in Plastik verpackt. Anscheinend ist es vollständig.
    Keine weiteren Vorkommnisse.
    Wieder nach oben. In einer der Schubladen des Wohnzimmerschranks find ich seinen Reisepass, der wohl auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Ausstellungsdatum 1984.   Auf dem Foto ist er noch jung, der Höpfl. Seitenscheitel, weißes Hemd, Oberlippenbart. Der Pass ist also ebenfalls da. Im Grunde fehlt nichts. Außer dem Höpfl selber. Aber so verreist man doch nicht. Zumindest nicht geplant. Wo zum Teufel ist er also?
    Gefahr in Verzug, sag ich da nur. Ich ruf noch mal in der Schule an und frag die Sekretärin, ob es zwischenzeitlich ein Lebenszeichen von ihm gibt.
    Nix. Kein Anruf, kein persönliches Erscheinen, kein Garnix. Ich frag sie, ob sie eine Vermisstenanzeige machen will, aber sie zögert.
    »Ich weiß
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