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Damiano

Damiano

Titel: Damiano
Autoren: R. A. MacAcoy
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angehaucht waren. Auf die Wiesen hinauszuwandern und blühende Kräuter zu suchen, Pfeilwurz und Engelwurz. Den ganzen Tag da draußen zu verbringen und kaum etwas vorzeigen zu können, weil es auf Feldern und Wiesen von jungen Kaninchen wimmelte, die herumsprangen wie die Lederbälle der Kinder.
    Die letzte Fastenwoche auszuhalten, während in allen Öfen der Stadt für Ostern gebacken wurde, und dann die feierliche Messe am Ostersonntag, wo alle zusammen in ihrem schrecklichen, wunderbaren, ungeübten Latein sangen, »Halleluja, Halleluja, Er ist auferstanden, Er ist nicht hier.«
    Im vergangenen Jahr hatte er den Tag vor Ostern draußen in den Hügeln verbracht und war mit Armen voll Blumen und einer sonnenverbrannten Nase zurückgekehrt. Die schönsten von ihnen, die rosafarbenen frühen Rosen und die Sumpflilie, hatte er in Vasen gesteckt, die er nachts, während Macchiata aufgepaßt hatte, daß keiner kam, heimlich auf Carlas Balkon gestellt hatte. Er hatte es Carla nie gesagt.
    Die übrigen, die gelbe Lilie und den leuchtenden Senf, und die an ihren Stengeln nickenden kleinen Schneeglöckchen, hatte er in einen Sack gesteckt und dann wie ein Duschbad über Raphael ausgeleert. Damiano konnte sich zwar an das Gesicht des Erzengels nicht mehr erinnern, aber er sah noch einen Stengel goldenen Senfs am Ende eines leicht flatternden Flügels hängen und das weiße Gewand von Blütenstaub vergoldet.
    Die Tat war weder sonderlich respektvoll, noch sonderlich männlich gewesen, aber das machte nichts. Raphael hatte sie gut aufgenommen. Und jetzt – jetzt versank Damiano in Erinnerungen. Sein Mund wurde weich.
    Im Frühling zu sterben, wäre leichter gewesen, denn da wäre man trunken gestorben.
    Auch der Winter war schön oder war schön gewesen, als er in seinem warmen Pelz die Straße nach Aosta hinaufgestiegen war. Und die glitzernden Gipfel der Alpen waren prächtig anzusehen, auch wenn Macchiata anderer Meinung gewesen war.
    Auch Macchiata war schön gewesen, das Schönste von allem in mancher Hinsicht. Aber an sie zu denken, ertrug er nicht.
    »Dominus Deus«, flüsterte er, und seine Lippen streiften über den Schmutz, »du hast eine schöne Welt geschaffen.« Er meinte es nicht als Gebet.
    Die kalte Luft, die sein verletztes Ohr traf, machte ihn wieder schwindlig. Er konnte den Boden nicht mehr fühlen, und der ganze Raum war von Licht durchflutet, das wie Perlmutt schimmerte, von einem Licht, als ob die Sonne durch die Wolken scheint. Sachte wurde Damianos Kopf emporgehoben. Er sah in die Augen Raphaels.
    Mächtige Schwingen umschlossen ihn und verbargen die Mauern aus Stein. Der Erzengel nahm Damiano in seinen Schoß, und der junge Mann spürte keine Kälte mehr.
    »Ach ja, richtig«, flüsterte Damiano. »Du sagtest, daß wir uns noch einmal sehen würden.«
    Raphael lächelte nicht. Er strich Damiano das Haar aus dem Gesicht.
    »Ich sagte, mindestens noch einmal, Dami. Und ich sagte, daß wir dann sprechen könnten.«
    Damiano hob den Kopf und ließ seinen Blick auf der Gestalt stiller Schönheit ruhen. Dann ließ er sich wieder zurückfallen.
    »Ich habe nur noch für einmal Zeit, Seraph. Und es gibt nicht viel zu sagen. Bei Morgengrauen werde ich gehängt.«
    Raphael sah auf seinen Freund hinunter wie ein Mann, der in einen Brunnen blickt. Er sagte nichts.
    »Wußtest du das schon?« fragte Damiano, den Blick erwidernd.
    Der Engel nickte und berührte Damianos Gesicht leicht mit dem Rücken seiner Finger.
    »Deshalb bin ich ja hier, mein Freund.«
    »Dies ist das Ende, für dich und mich – für unsere Freundschaft –, mein lieber Lehrer. Denn ich bin ein Verdammter und fahre zur Hölle, wo du mich sicher nicht besuchen wirst.«
    Beide Schwingen klappten in heftiger Bewegung nach außen und schlugen gegen die Mauern der kleinen Hütte.
    »Ein Verdammter, Damiano? Ein Verdammter? Was sagst du da?« Sekundenlang war der Engel sprachlos. »Wie kommst du auf diesen Gedanken? Nie habe ich von dir solchen – solchen – «
    Damiano hätte nicht gedacht, daß das vollendet gemeißelte Gesicht einen solchen Ausdruck der Verständnislosigkeit, der Bestürzung, ja, beinahe der Dümmlichkeit, annehmen konnte.
    » – solchen elenden Unsinn gehört«, schloß Raphael mit ziemlicher Anstrengung.
    Trotz seines niederschmetternden Unglücks hätte Damiano beinahe gelacht; aber sein Gesicht wurde ernst, als er sich bemühte, eine Erklärung zu geben.
    »Der Satan selbst sagte es mir zuerst – « begann er.
    Die
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