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Damiano

Damiano

Titel: Damiano
Autoren: R. A. MacAcoy
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davon merken, sondern standen wie erstarrt und hielten mit beiden Händen ihre Kleider fest.
    Hinter dem trutzigen Turm blieb Damiano stehen und rief laut, bis eine blaue Gestalt auf dem Balkon erschien.
    »Herr Marquis? Ihr braucht mich nun doch nicht mehr zu hängen. Ich bin nicht verdammt; es war alles ein großes Mißverständnis.«
    Als Ogier darauf nicht antwortete, fügte Damiano nach einer kurzen Pause hinzu: »Ich bin der Herr Dämon, wißt Ihr noch? Aber vielleicht bin ich im Morgenlicht doch nicht ganz so abscheulich.«
    »Ich sehe Euch«, erwiderte Ogier und blickte nach rechts und nach links die Straßen entlang. »Ihr seht heute morgen weit stattlicher aus. Verstehe ich recht, daß keiner meiner Männer bereit ist, gegen Euch zur Waffe zu greifen? Ja, nun ja, ich verstehe ihre Zurückhaltung.« Sekundenlang starrte Ogier unverwandt auf Damiano hinunter, und Damiano strahlte ihn von unten an.
    »Was habt Ihr jetzt vor, Herr, der Ihr kein Dämon seid?« fragte er schließlich. »Da wir Euch ja, wie sich zeigt, nicht hindern können.«
    Damiano zuckte mit den Schultern.
    »Ich werde natürlich fortgehen. Aber ich danke Euch für Eure Unterstützung gestern nacht. Dadurch wurde viel Blutvergießen vermieden.«
    »Hocherfreut, Euch zu Diensten gewesen zu sein«, versetzte Ogier mit kühler, ironischer Höflichkeit.
    Hufschlag dröhnte klappernd, und der schwarze Wallach galoppierte ins Dorf. Damiano wandte sich dem Pferd zu, das ihn mit einem leisen Schnauben begrüßte.
    Er schwang sich auf den Rücken des Wallachs. Raphael stand mit ausgebreiteten Schwingen vor ihm auf der Straße in all seiner Herrlichkeit. Die kleine Hündin saß neben ihm und kratzte sich.
    »Seraph«, sagte er und neigte sich ihm zu, »ich habe noch eine Schuld zu begleichen, und ich sollte damit nicht säumen.«
    »Ich weiß«, entgegnete der Engel ruhig. »Wir begleiten dich, wenn wir dürfen.«
    »Natürlich begleiten wir dich, Herr«, fiel die kleine Hündin ein. »Wir sind ja noch gar nicht lange hier.«
    Er ließ San Gabriele hinter sich, und sein scharlachroter Mantel flatterte wie ein Banner im Licht des frühen Morgens. Leuchtende Schwingen erhoben sich über dem galoppierenden Pferd in die Lüfte, und zu seiner Linken lief eine kleine Hündin mit leichtem Schritt und ohne Mühe.

Es war ein Ritt wie alle Ritte, die in der kalten, trüben Zeit um Weihnachten durch Piemont führen. Schmutz spritzte an den Beinen des Pferdes auf, und Eis verkrustete ihm das zottige Fellhaar. Aber der Schmutz war satt und lebendig, das Eis war herrlich, und der Schnee, der Damiano ins Gesicht peitschte und sich in sein Haar setzte, war wie Eiderdaun. Er sang während er ritt, manchmal süß und lieblich, dann wieder heiser und mit brüchiger Stimme.
    Und er lachte über nichts, während er auf dem Rücken des geduldigen Rappens auf und nieder wippte. Bei Nacht baute Damiano große Freudenfeuer auf, vor denen er sich niederhockte und Selbstgespräche führte wie ein Irrer.
     
     
    Neben einem Steingrab kauerte Saara, die Finnfrau, die sich zum Schutz gegen die Kälte in eine grobe Wolldecke gehüllt hatte. Aber ihr war immer noch kalt; ihr war immer kalt. Sie fror, aber es interessierte sie nicht.
    Jeden Tag schleppte sie ein paar große Steine heran, und wenn auch ab und zu Wölfe oder Hunde kamen und einige wieder wegscharrten, so wurde doch Ruggieros Grab immer solider und sicherer.
    Ein brauner Zopf flatterte im Wind. Sie stopfte ihn wieder unter ihre Decke. Sie wußte, daß sie nach Ludica hätte hinuntergehen sollen. Dieser hohe Hügel war für sie allein mitten im Winter nicht der rechte Ort. Die Dampfverbrennungen an ihren Armen und unter ihrem Kinn waren doppelt empfindlich gegen die Kälte und schmerzten. Sie würde nach Ludica hinuntergehen; wann, das war kaum wichtig.
    Sie konnte Zimmer ausfegen. Eine Frau konnte immer Zimmer ausfegen.
    Der Wind pfiff über die flache, sumpfige Wiese. Pfiff schon seit Tagen so, ein trostloses, seelenloses Winterlied. Obwohl ihr Gehör auf die Geräusche des Windes und des Wassers eingestellt war, lernte sie rasch, dieses Lied der Verzweiflung nicht zu hören.
    Jetzt aber hatte sie keine Wahl; sie mußte hören, denn der Ton des Windes änderte sich. Sie neigte den Kopf auf eine Seite, und ihre schrägen grünen Augen verengten sich.
    Dies war der Südwind, ihr sehr vertraut. So wie jede Weberin ihr Tuch erkennen kann, selbst wenn es verschnitten und vernäht ist, so erkannte Saara ihren eigenen
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