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Damiano

Damiano

Titel: Damiano
Autoren: R. A. MacAcoy
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brannten Damiano in den Augen, und er drängte sie gewaltsam zurück, um nicht doch noch zu weinen. Ihm blieben nur noch ein paar Stunden, und dann würde er sich, wie der Teufel ihm verheißen, an nichts mehr erinnern, was einmal gut, was einmal schön gewesen war, was er einmal geliebt hatte.
    Und doch bereute er seinen Pakt mit dem Teufel nicht, denn er war ja nicht durch den Pakt zur Hölle verdammt. Der Pakt sah für ihn nur vor, daß er sterben würde, und alle Menschen mußten früher oder später sterben.
    Später! rief eine Stimme in ihm – keine Stimme der Macht, sondern eine schwache, beharrliche Stimme wie die Macchiatas, wie die Damis, des Knaben. Später wäre besser. Viel besser.
    Was hatte er dem Satan geantwortet, als dieser ihm gesagt hatte, daß er sich an nichts erinnern würde, was ihm der Teufel nicht erlaubte?
    »Dafür kenne ich es jetzt«, hatte er gesagt. »Das muß eben reichen.« .
    Richtig. Und er war noch am Leben. Er konnte sich noch erinnern, was gut, was schön gewesen, was er –
    Damiano schluckte, da ihm der scharfe Geruch nach Mäusen fast den Atem benahm. Er zog die Knie bis zur Brust hoch und schloß die Augen. Da hörte er wieder eine kleine Stimme, nicht in seinem Kopf, sondern von draußen.
    »He! Festelligambe«, zischte die Stimme. »Oder Delstrego – oder wie Ihr Euch sonst nennt. Seid Ihr wach?«
    Damiano riß die Augen auf.
    »Gaspare!« rief er flüsternd. »Was tust du hier?«
    Hinter den Steinen sah er einen verschwommenen dunklen Fleck. Er regte sich, und der Knabe antwortete.
    »Einer der Soldaten ist pinkeln gegangen. Kommt aber gleich wieder. Was kann ich tun? Um – wartet…« Sternenlicht schimmerte an der Stelle, wo der dunkle Fleck gewesen war.
    Damiano lag so still wie aus Stein gehauen, während er mit weit geöffneten Augen in der Dunkelheit wartete. Dann sah er wieder die Gestalt des Wachpostens an der Ritze vorbeimarschieren, und die Verzweiflung kehrte wieder. Außerdem war die Tür zusätzlich mit einem eisernen Schloß abgesperrt, zu dem Ogier von Savoyen den Schlüssel hatte.
    Gaspare war ein guter Bursche. Das war etwas, woran er sich erinnern konnte, solange es ihn nicht zum Weinen rührte. Doch, es brachte ihn zum Weinen. Ach was, er konnte ja lautlos weinen.
    »Sst!« kam wieder die Stimme, diesmal von der vorderen Mauer her.
    Damiano wälzte sich herum, und als sein ganzes Körpergewicht auf seine gefesselten Arme fiel, wimmerte er auf vor Schmerz.
    »Ich bin jetzt hier. Evienne – lenkt die Wachen ab. Was können wir für Euch tun?«
    Er mußte zweimal schlucken, ehe er antworten konnte.
    »Nichts, Gaspare. Ihr könnt mich nicht retten. Aber du hast mir schon geholfen, ein wenig zumindest, damit, daß du… Lauf jetzt, mach dich fort, denn wenn sie dich erwischen, hängen sie dich auch.«
    Gaspares unverständliche Antwort war wahrscheinlich ein Fluch.
    Dann zischte er: »Macht Euch unsichtbar, Festelligambe. Ich sage, ich hätte Euch die Straße runterlaufen sehen, und dann machen sie die Hütte auf, um nachzusehen.«
    Damiano mußte lächeln über diesen Plan.
    »Ich kann nicht«, erwiderte er. »Sie haben mir meinen Stab weggenommen. Ich kann mich nicht unsichtbar machen. Ich kann überhaupt nichts tun.
    Lauf fort, Gaspare. Dies hier ist etwas, das schon vorher entschieden wurde. Ich kann ihm nicht entrinnen, und ich bin nicht Christus, daß zwei Diebe neben mir hängen müssen. Geh jetzt.«
    Er mußte es noch dreimal wiederholen, bis der Schatten sich entfernte.
     
     
    Was für einen Tag schrieb man überhaupt, oder würde man schreiben, wenn der Morgen anbrach? Man sollte doch wenigstens wissen, an welchem Tag der Woche man starb. Er rechnete, indem er die Tage seit dem Vollmond zählte. Es kam der Sonntag, der 12. Dezember.
    O Christus! Schrecklich, in Kälte zu sterben.
    Plötzlich hörte Damianos ausgelaugter, schmerzgequälter Körper zu zittern auf. Sein Geist wurde von Bildern eines Frühlings überflutet, den er niemals mehr sehen würde, und er roch nicht Mäusekot, sondern die atmende Erde und den Duft von Flieder. Seufzend sank er wieder zu Boden, ohne Rücksicht auf den Schmerz.
    Den Frühling wieder zu erleben und im Gras zu liegen! Sich von neugeborenen kleinen Lämmern beschnuppern lassen, die noch unbeholfen auf langen Beinen standen und von ihren blökenden, träge kauenden Müttern behütet wurden. Wieder seidene Kleider auf der Straße zu sehen, die Gesichter der Mädchen, die von der herben Morgenluft rosig
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