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Damiano

Damiano

Titel: Damiano
Autoren: R. A. MacAcoy
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Mischung von Gefühlen auf Raphaels Antlitz machte jetzt schlichtem Zorn Platz.
    »Er? Er ist der Vater – «
    » – der Lügen, ich weiß. Ich habe das viele Male gehört, besonders in letzter Zeit, Raphael. Aber vergiß das. Nicht alles, was er sagt, ist gelogen, und ich habe in dieser Sache meine eigenen Beweise. Ich habe das unstillbare Feuer berührt, Seraph. Ich bin ihm zu seinem Ursprung gefolgt, und ich weiß jetzt, daß sein Ursprung in mir ist.«
    Eine Schwinge hob sich, die andere senkte sich, und Raphael neigte den Kopf zur Seite, um die Schwingen auszubalancieren.
    »Dami, wenn du mir sagen willst, daß du Feuer in dir hast, dann spar dir deine Worte. Das weiß ich schon seit langem.
    Du bist warm wie ein Herd, junges Menschenkind, und wie ein Herdfeuer offen und froh zu geben. Bis zu diesem Augenblick hätte ich gesagt, und auch so – so zuversichtlich wie ein Herdfeuer, denn ich habe dich durch Schmerz und Schrecken gehen sehen, worauf dein Feuer nur heller leuchtete. Glaubst du denn, daß ich dich aus Pflichtgefühl liebe, Dami? Oder daß deine Hexenkunst mich gezwungen hat, dich in der Musik zu unterweisen, wie ich das in den vergangenen drei Jahren getan habe?
    Ich habe der Menschheit gegenüber keine Pflicht. Nicht eine einzige. Ich wurde nicht zur Pflicht geschaffen, sondern um Musik zu machen. Und die Handlungen der Sterblichen können mich nicht in die Fesseln der Zeit zwingen.
    Aber du bist ein so törichter Jüngling, Damiano Delstrego. Deine Hände sind zu groß für dich. Und auch deine Augen. Und deine Ansichten. Du gibst dir solche Mühe in einer Welt, deren Schmerz zu begreifen ich nicht ertragen könnte. Und in deinem Inneren weißt du, was am besten ist, und liebst es trotz aller Irrtümer. Deshalb kann ich nicht verstehen, wie du dir weismachen lassen konntest. Ach Dami, Dami!« Raphael drückte den Jüngling an sich und wiegte ihn hin und her. »Weißt du denn, was es heißt, ein Verdammter zu sein? Mit Feuer hat das nichts zu tun. Ein Verdammter zu sein heißt einfach, nicht zu lieben.«
    »Gott nicht zu lieben, meinst du, Raphael«, murmelte Damiano, der mit geschlossenen Augen dalag und merkte, wie sein Schmerz verebbte. »Etwas Ähnliches habe ich von Pater Antonio gehört.«
    Raphael schwieg und krauste in angestrengter Konzentration die edle Stirn.
    »Alle Geschöpfe«, sagte er schließlich, »sind der Spiegel ihres Schöpfers. Kann man etwas von ganzem Herzen lieben und seinen Ursprung nicht lieben?
    Vielleicht kann der Mensch das – die Menschen sind mir rätselhaft –, aber ich kann es nicht. Und, Damiano, sieh mich an.
    Du bist ein plötzliches Aufblitzen von Licht, Kind. Eine Melodie, die von nirgendwo aufsteigt. Ich bin nicht Fleisch und Blut, und ich kann dich nicht verstehen, aber ich liebe dich, und ich weiß, daß du kein Verdammter bist.«
    Damiano blickte zu dem Erzengel auf. Raphaels Gesicht verschwamm vor seinen Augen und er blinzelte.
    »Ist das wahr?« fragte er. »Ist das wirklich wahr? Dann bin ich unendlich froh, es zu hören«, fügte er hinzu, »weil ich nicht in die Hölle fahren wollte.«
    Danach weinte er ohne Scham in das makellose weiße Gewand.
    Minuten verstrichen. Schließlich hob Damiano den Kopf.
    »Weißt du was, Raphael?« fragte er. »Es tut mir leid, das sagen zu müssen, nach allem, was du für mich getan hast, aber – aber – ich merke, daß ich auch noch nicht sterben möchte. Ist das nicht kleinlich von mir, wenn man bedenkt, welche Mühe ich mir gegeben habe, mich ins Unglück zu bringen?«
    Der Engel spitzte die schön geschwungenen Lippen und begann wieder, Damiano zu wiegen.
    »Wir alle machen manchmal Dummheiten«, flüsterte er, »und tun Dinge, die wir nicht tun sollten. Manchmal sollten wir tun, was wir nicht tun sollten. Mach dir deshalb keine Gedanken darüber.«
    Die Worte waren schwer zu begreifen. Und sie waren von zweifelhafter Moral. Aber Damiano hatte es längst aufgegeben, von Raphael logische Vernunft zu erwarten. Oder vorbildliche Moral. Vielleicht brauchten Engel nicht moralisch zu sein, sondern einfach nur Engel. Waren sie überhaupt Christen, diese reinen Geistwesen?
    Es war unwichtig. Viel besser war es, Raphael einfach zu lauschen und zu vertrauen. Und es war wunderbar, sich von ihm wiegen zu lassen. Das war Musik und Ruhe. Es war ein tiefes, tiefes Fallen, leicht und gewichtslos wie von Schneeflocken. Er schmiegte sein Gesicht in das weiße Gewand und fiel durch einen Raum, der von perlmuttfarbenen Lichtern
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