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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor
Autoren: Charles Stross
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Tür zu treten. Nachdenklich
betrachte ich die Kabel vor mir. Von wem stammt noch einmal der Spruch: »Wenn
man annimmt, du seist technisch begabt, ist es an der Zeit, gewalttätig zu
werden«? Ich nehme die Kabel in die Hand und reiße daran. Anschließend packe
ich den Rest und mache dasselbe. Mission erfolgreich abgeschlossen, jetzt ist
es an der Zeit, nachzudenken.
    »Bob, haben Sie einen Plan?«
    »Ich bin dabei.«
    »Dann machen Sie etwas schneller, wenn ich bitten
darf! Sie kommen gleich durch die Tür!«
    Erst in diesem Moment fällt mir mein Handy wieder ein,
und entscheide mich für einen letzten verzweifelten Versuch. Ich wähle Bridgets
Nummer. Es klingelt zwei Mal und zu meiner Überraschung hebt Angleton ab.
    »Ah! Bob!« Er klingt außergewöhnlich gut gelaunt. »Wo
stecken Sie? Haben Sie das Internet außer Gefecht setzen können?«
    Ich habe keine Zeit, ihm etwas zu erklären. Josephine
lädt gerade ihre Waffe nach, und ich habe den starken Verdacht, dass sie sich
etwas ganz Besonderes für mich einfallen lassen wird, wenn ich uns nicht sofort
hier raushole. »Chef, laden Sie McLuhans SCORPION-STARE-Software auf alle
bewegungssensitiven Kameras im Erdgeschoss des Westflügels. Sofort!«
    »Wie bitte? Habe ich Sie da richtig verstanden?«
    Ich hole tief Luft. »Sie hat die Nachtwächter auf
ihrer Seite. Ansonsten ist das Gebäude leer. Laden Sie es sofort, oder wir
werden hier zu Hirnfressern.«
    »Wenn Sie meinen.« Er hört sich an wie ein duldsamer
Onkel, der keine Lust hat, sich mit seinem rebellischen Neffen zu streiten.
Dann legt er auf.
    Mit einem splitternden Krachen wird eine Hand zwischen
uns durch die Tür gerammt. »Oh, Scheiße«, bringe ich gerade noch heraus, ehe
sie sich wieder zurückzieht. Da explodiert ein Lichtblitz vor der Tür und ein
lautes Zischen ertönt, während uns eine Hitzewelle ins Gesicht schlägt. Wir
kauern uns in der hintersten Ecke der Kammer auf dem Boden zusammen. Die Hitze
wird immer intensiver, und ich rechne schon damit, jeden Augenblick in Flammen
aufzugehen. Da springt endlich die Sprinkleranlage an.
    »Sind wir jetzt in Sicherheit?«, will Josephine von
mir wissen – oder zumindest glaube ich, das gehört zu haben, denn meine Ohren
dröhnen noch immer.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.«
Ich nehme das zerbrochene Gehäuse einer Netzteilanschlussbox und werfe es durch
die ramponierte Tür. Nichts passiert. Vorsichtig stoße ich sie auf und trete in
den Korridor, als plötzlich mein Handy klingelt. Erschöpft ziehe ich es aus der
Tasche und beuge mich vor, damit es nicht nass wird. Im Gang liegen zahlreiche
verbrannte Leichen.
    »Wer ist da?«
    »Ihr Vorgesetzter.« Diesmal klingt Angleton belustigt.
»Sie sind sicher ganz schön nass geworden! Kommen Sie beide hoch in den
Mahagoni-Trakt und legen Sie sich trocken. Der Direktor hat hier sein eigenes
Badezimmer. Ich finde, das haben Sie sich verdient.«
    »Und Harriet? Bridget? McLuhan?«
    »Alles unter Kontrolle«, erwidert er selbstzufrieden.
Ich zittere, als mir das eiskalte Wasser langsam über den Rücken rinnt.
    »Okay, wir kommen gleich hoch.« Ich werfe einen letzten
Blick auf die zerstörte Tür der Kammer. Josephine grinst mich an wie ein
verängstigtes wildes Tier. »Wir haben es geschafft«, sage ich so beruhigend wie
möglich. »Ich glaube, wir haben gewonnen …«
     
    Um zu Angletons Büro zu gelangen, müssen wir viele Treppen
steigen und durch zahlreiche Korridore laufen. Gewöhnlich arbeitet er in einem
dunklen Untergeschoss am anderen Ende des Gebäudes. Diesmal aber machen wir uns
auf den Weg zur Suite des Direktors in der ansonsten stillgelegten Chefetage
des nördlichen Trakts.
    Der Nordflügel ist trocken geblieben. Dort sind die
Leute emsig am Arbeiten, und keiner scheint auch nur den blassesten Schimmer
davon zu haben, dass wenige Meter unter ihnen verkohlte Zombies herumliegen.
Wir werden hier und da komisch angesehen, aber das ist nicht weiter
verwunderlich, da wir beide ziemlich ramponiert und nass bis auf die Knochen
sind – ich in meinen üblichen Klamotten und Detective Inspector Sullivan in
ihrem ruinierten, teuren Hosenanzug, die Waffe noch immer in der Hand. Zum Glück
ist niemand so dumm, uns aufhalten zu wollen.
    Als wir endlich auf dem dicken grünen Teppich vor der
Direktorensuite stehen, sind Josephines Augen zwar noch immer unnatürlich weit
aufgerissen, aber sie hat aufgehört zu zittern. »Sie werden wahrscheinlich
viele Fragen haben«, sage ich
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