Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
von meinen Kieferknochen, die nervös aufeinandermalmen. »Es ist
dringend, Harriet. Es hat etwas mit dem Code Blau von vorgestern zu tun. Du
kannst ihn also jetzt ans Telefon holen oder du wirst es später bereuen. Ganz
wie du willst.«
    »Ach, ich glaube nicht, dass ich es bereuen werde«,
entgegnet sie voll höhnischer Schadenfreude. »Wenn ihr das Meeting verpasst,
sind du und deine heißgeliebte Anti-Beschwörungseinheit ein für alle Mal
Geschichte. Und daran seid ihr selbst schuld. Einen schönen Tag noch.«
Triumphierend knallt sie den Hörer auf die Gabel.
    Ich drehe mich um. Sowohl Andy als auch Angleton
starren mich fassungslos an. »Sie hat einfach aufgelegt«, sage ich völlig
überrumpelt. »Die verdammte Zicke hat alle Anrufe für Boris auf ihr Telefon
umgeleitet. Das ist eindeutig ein abgekartetes Spiel. Außerdem hat sie noch
etwas vom Ende der Anti-Beschwörungseinheit gefaselt.«
    »Dann müssen wir eben persönlich an diesem Meeting
teilnehmen«, erklärt Angleton entschlossen und ist schon auf dem Weg nach
draußen. »Mir nach!«
    Wir laufen alle drei zum Helikopter, dessen Motoren
noch laufen. Seit Angletons Ankunft können kaum mehr als drei oder vier Minuten
vergangen sein. Auf einmal sehe ich aus dem Augenwinkel, wie jemand über den
Parkplatz auf uns zurennt – eine Gestalt mit funkelnden Augen in einem grauen,
etwas mitgenommen aussehenden Hosenanzug. »Hey!«, ruft sie. »Ich will
Antworten!«
    Angleton dreht sich zu mir um. »Gehört die zu Ihnen?«
Ich nicke. Großmütig winkt er sie daraufhin heran. »Kommen Sie mit«, lädt er
Josephine mit lauter Stimme ein. Hinter ihrem Rücken bemerke ich einen der
falschen Feuerwehrmänner. Gerade senkt er seine Waffe, die wie zufällig auf
Josephine gerichtet war. »Daran werde ich mich nie gewöhnen«, murmelt Angleton
so leise, dass nur ich ihn hören kann. Seine Miene wirkt grimmig und
missbilligend. »Je weniger Leben wir zerstören, desto besser.«
    Ich überlege kurz, ob ich ihn fragen soll, was er
damit meint. Aber er klettert bereits in den hinteren Teil des Helikopters,
gefolgt von Andy. Ich helfe also Josephine hinein und springe ebenfalls an
Bord, während der Motor bereits wieder auf Touren kommt. Rasch setze ich die
Kopfhörer auf und höre gerade noch Angletons Befehl. »Zurück nach London, und
drücken Sie aufs Gas, wenn ich bitten darf.«
    Die Wäscherei ist berüchtigt für ihre grotesken
Exzesse im Namen der Buchführung. Überziehungen des Budgets werden wie
Kriegsverbrechen geahndet und eine Büroklammer zu viel kann den Zorn etlicher
außerirdischer Dämonen hervorrufen. Aber wenn Angleton befiehlt, aufs Gas zu
drücken, dann schießen wir mit zweihundertdreißig Stundenkilometern durch die
Lüfte und verpulvern Tonnen von Kerosin.
    Zudem räumt uns die Flugsicherung alles aus dem Weg,
was sich gerade in Londons Luftraum herumtreibt – und das nur, weil Angleton
nicht zu spät zu einem Meeting kommen will. Auf dem Landeplatz wartet bereits
ein Streifenwagen auf uns und bringt uns sicher und ab und zu sogar im dritten
Gang durch den chaotischen Londoner Stadtverkehr.
    »McLuhan hat die Kontrolle über SCORPION STARE«,
erkläre ich Angleton. »Und die Überwachungskameras in der Zentrale sind alle
vernetzt. Wenn er sie lädt, bevor wir da sind, können sie uns aussperren. Oder
Schlimmeres … Es kommt ganz darauf an, was Harriet und Bridget für uns in petto
haben.«
    »Da werden wir uns überraschen lassen müssen.«
Angletons Gesicht ist völlig starr. »Tragen Sie immer noch Ihren Talisman um
den Hals?«
    »Leider schon verbraucht.« Wenn ich mehr Platz auf der
Rückbank hätte, würde ich mit den Achseln zucken. »Welche Ziele verfolgt
Bridget Ihrer Meinung nach?«
    »Darüber möchte ich im Augenblick nichts sagen.«
Normalerweise würde mich Angletons unfreundliche Abfertigung kränken, doch er
deutet mit dem Kinn auf den Fahrer. »Wenn wir dort ankommen, Bob, möchte ich,
dass Sie zum Lieferanteneingang gehen und den Hausmeister wecken. Haben Sie Ihr
Handy?«
    »Ja«, bestätige ich und hoffe inbrünstig, dass der
Akku nicht leer ist.
    »Gut. Andrew, wir beide werden durch den Haupteingang
gehen. Bob, stellen Sie Ihr Handy auf lautlos. Sobald Sie meine Nachricht
erhalten, sagen Sie dem Hausmeister, dass er die Hauptsicherung ausschalten
soll. Und das Notstromaggregat.«
    »Oh.« Bei dem Gedanken an all die elektrischen
Eindämmungspentagramme im Keller und die Computer, die an gefilterte und
gesicherte Schaltkreise
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher