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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See
Autoren: Alexander Kent
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zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Bolitho, daß sie das Ziel verfehlt hatte, aber dann öffnete sich das Heck der
Unity
wie eine gezackte Höhle. Die Ladung der Karronade würde in ihrem Innern einen Splitterregen bis ins Vorschiff schicken.
    »Einzelfeuer!«
    Geschütz nach Geschütz fuhr zurück. Nicht einmal ein Blinder konnte auf diese Entfernung das Ziel verfehlen. Jeder gezielte Schuß würde durch den ganzen Rumpf fegen, der wie ihr eigener vom Heck bis zum Bug aufgeklart war.
    »Auswischen! Laden! Ausrennen!«
    Trotz der Angst und der schmerzerfüllten Schreie der Verwundeten hielt sie jetzt der stundenlange Drill und die Disziplin zusammen.
    Ein bleicher Fähnrich stoppte in einer schlüpfrigen Blutpfütze vor Avery.
    »Verzeihung, Sir!« Er stöhnte, als eine Kugel in den Besan über ihm einschlug. »Der Ausguck hat unsere Schiffe gesichtet. Sie greifen an!«
    »Ich werde es dem Admiral melden. Danke, Mr. Warren.
    Bewegen Sie sich!«
    Urquhart rief: »Der Yankee ist manövrierunfähig, Sir!« Seine Stimme überschlug sich ungläubig.
    »Aber er kämpft weiter!« Gerade als Avery es aussprach, erfolgte ein Einschlag an den Finknetzen und warf drei Marines als blutige Bündel auf das Deck. Wahrscheinlich einer der Neunpfünder der
Unity,
geladen mit Schrapnells.
    Der Navigator ging zu Boden, einer seiner Maaten nahm seinen Platz ein, seine Hosen bedeckt vom Blut des Segelmeisters. Mit zitternder Stimme rief er: »Recht so!«
    Aber Avery sah nur Allday, der Bolitho schützend gegen seinen Körper drückte. Avery rannte zu ihnen herüber. »Was ist los?«
    Er sah, daß Alldays Gesicht vor Sorge ganz verzerrt war.
    »Splitter, Sir! Schicken Sie nach dem Arzt!«
    Sie trugen Bolitho vorsichtig zum Fuß des Kreuzmastes. Er flüsterte rauh: »Splitter … ich habe Holzsplitter im Gesicht!« Er packte Averys Arm mit unglaublicher Kraft. »Ich kann nichts mehr sehen!«
    Er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Seine Augen waren fest zusammengepreßt. Avery berührte seine Wange und konnte einige Splitter erfühlen, die wie kleine Fischgräten aus der Haut hervortraten.
    Der Rumpf erzitterte wieder unter dem Donner einer vollen Breitseite. Avery bemerkte es kaum. Er blickte auf und sah, daß Trevenen durch den dichten Qualm zu ihnen herüberstierte.
    »Ist es schlimm?«
    »Er kann nichts sehen!«
    Bolitho wollte aufstehen, doch Allday hielt ihn fest. »Gehen Sie nahe ran, Kapitän! Geben Sie ihm keine Zeit…« Er brach ab, stöhnend vor Schmerz, als er versuchte, die Augen zu öffnen.
    Trevenen schnappte scharf: »Sir Richard ist verwundet! Mr. Urquhart klar zum Abbruch des Gefechts. Das ist ein Befehl!«
    Avery blickte ihn ungläubig an. »Sie fliehen?« Trevenens Selbstbewußtsein kehrte zurück.
    »Ich habe hier das Kommando! Ich wußte, daß es schiefgehen würde! Sir Richard hat sich alles selbst zuzuschreiben!«
    Ein Mann in einer blutigen Schürze eilte über das Deck. Es war nicht Minchin, sondern sein Assistent Lovelace. Trevenen brüllte: »Bringen Sie Sir Richard nach unten! Hier ist kein Platz mehr für ihn!«
    »Wer, zum Teufel, behauptet das!«
    Avery sah eine andere Gestalt mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Niedergang auftauchen. Herrick blickte sich um auf dem mit den Überresten der Schlacht bedeckten Deck. Er sah die Toten, Sterbenden und die zerrissenen Leichen der Seesoldaten. Dieser Anblick mußte ihn an sein ehemaliges Flaggschiff erinnern.
    Dann musterte er die amerikanische Fregatte, die weiter und weiter nach Lee abtrieb. Ein paar der kleinen Schiffe hielten von ihr ab, als ob die
Unity
die Pest hätte.
    »Der Yankee wird uns keine Sorgen mehr machen, jedenfalls nicht mehr heute. Wir werden sofort zu unseren Schiffen stoßen!« Er schloß die Augen, um den Schmerz zu kontrollieren.
    Trevenen starrte ihn ungläubig an.
    »Was sagen Sie? Ich kommandiere hier …« Weiter kam er nicht.
    Herrick machte einen Schritt in seine Richtung. »Sie kommandieren überhaupt nichts! Sie sind abgelöst, und ich werde Sie für Ihren hinterhältigen Verrat zum Teufel schicken! Verlassen Sie sofort das Deck!«
    Trevenen zögerte, als ob er protestieren wollte, drehte sich dann aber wie blind um und stolperte zum Niedergang. Er mußte sich seinen Weg durch die Männer bahnen, die es noch vor kurzer Zeit nicht gewagt hatten, ihm in die Augen zu blicken. Jetzt beobachteten sie ihn furchtlos und voller Verachtung.
    Herrick ignorierte ihn. »Sie da, Urquhart, oder wie immer Ihr verdammter Name
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