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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
Autoren: emons Verlag
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Scharen von zahlungskräftigen Kurgästen geöffnet?«
    »Wie? Äh, natürlich habe ich geöffnet.«
    »Wie entzückend, Meister aller Kuchenklassen, warum kümmern Sie sich dann nicht um das Wohlergehen Ihrer Gäste? Wenn es heute schon kein Heilwasser gibt, so sollte es doch zumindest an koffeinhaltigem Brackwasser nicht fehlen, oder?«
    Schirner wurde rot vor Zorn. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich zackig wie ein Soldat auf dem Absatz herum und zog beleidigt davon.
    Rubin sparte sich einen Kommentar und wies stattdessen Jana Cerni an, den Löwenbrunnen weitläufig für die Öffentlichkeit abzusperren. Dann wandte er sich Bernstein zu.
    »Ist das der Mini-Supermarkt dort?« Er deutete auf ein Haus gleich neben dem Café Schirner.
    »Der Mini-Supermarkt, eine Oase des Allerlei«, sagte Bernstein. »Manche hier halten ihn gar für eine Fata Morgana, das Trugbild eines arglistigen Geistes aus der Flasche, nach Bad Löwenau gesandt, um das idyllische Stadtbild in Schieflage zu bringen. Doch das sind nur Gerüchte. Tatsächlich bekommst du bei Hassan und Serkan alles, was du brauchst. Und was du nicht brauchst, bekommst du auch: Computer und Fladenbrot, Handys und Kichererbsen, frisches Obst und alle Kräuter und Düfte des Orients von Kreuzkümmel bis Kardamom, von Moschus bis Nanaminze.«
    »War in dem Haus nicht früher der Uhrmacher?«, fragte Rubin.
    »Richtig, Uhrmacher Weis mit den Taucheruhren. In jeder Vorweihnachtszeit sind wir um den Laden herumschlawinert.«
    »Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als ich zu Weihnachten eine Taucheruhr bekam.«
    »Ich habe nie eine bekommen – tragisch. Aber so ist das: Im Leben gibt es zwei wesentliche Tragödien. Die eine ist, dass man nicht bekommt, was man will. Die andere ist, dass man es bekommt.«
    Rubin grinste, er fühlte sich plötzlich um viele Jahre verjüngt. Er musste sich zusammenreißen, um sich wieder in die Wirklichkeit zu versenken.
    »Du hast den jungen Mann gekannt«, sagte er.
    »Ja. Er hieß Serkan Arslan.«
    »Wie gut kanntest du ihn?«, fragte Rubin weiter.
    Bernstein überlegte einen Moment und betrachtete den Toten.
    »Ich habe einmal ein Interview mit ihm geführt; es ging um junge Leute und das Nachtleben von Bad Löwenau. Ist ein sehr kurzer Artikel geworden. Serkan war keine Plaudertasche. Ich habe mich damals gefragt, ob er in seinem Leben überhaupt jemals so etwas wie Nachtleben gehabt hatte. Trotzdem war er ein aufgeweckter Bursche, wenngleich ein bisschen langweilig. Schwierig, schlau aus ihm zu werden. Jedenfalls wirkte er in der Atmosphäre des Mini-Supermarktes so deplatziert wie die eiserne Jungfrau auf einer Dorfkirmes. Ich begegnete ihm immer, wenn ich mein geliebtes, unwiderstehliches Halva kaufte.«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Rubin, wie sich die Tür des Mini-Supermarkts öffnete. Er sah eine schlanke, stolze Gestalt über den Marktplatz näher kommen.
    »Das muss Hassan sein«, sagte Rubin.
    »Das hätte ich selbst nicht besser sagen können«, antwortete Bernstein.
    Nach der Art, wie Hassan voranschritt, mühevoll, langsam und in sich versunken, konnte es keinen Zweifel geben, dass er bereits wusste, wer der Tote im Brunnen war.
    Hassan ging geradewegs auf den Löwenbrunnen zu. Von Rubin und Bernstein trennten ihn nur wenige Meter, als er kurz vor dessen Rand stehen blieb.
    Während er auf die Leiche seines Bruders im Wasser starrte, bebten seine Lippen, seine Miene war in Stein gemeißelt. Mit unterdrückter Stimme stieß er hervor: »Ich kriege das Schwein! Ich mach ihn kalt!«
    Er zitterte am ganzen Leib, Tränen füllten seine schwarzen Augen. Und Rubin wunderte sich, dass Hassan keine Anstalten machte, näher an den Brunnenrand zu rücken.
    Hassan murmelte etwas auf Türkisch, das weder traurig noch verzweifelt, sondern eher wie ein Gelübde klang, dann nahm er Rubin und Bernstein ins Visier. Seine Blicke flogen vom einen zum anderen, und der Ausdruck seiner Miene wechselte von Überraschung zu Abscheu, von Trauer zu Groll. Seine gesamte Körperhaltung schien ein einziger bitterer, unversöhnlicher Vorwurf zu sein.
    Schließlich wandte er sich wieder ab und ging langsam, sehr langsam und gleichmäßig, über das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes zurück in seinen Laden, ungeachtet der vielen Pfützen, die seine Hose durchnässten.
    Rubin hörte, wie die Ladentür ins Schloss schlug. Hinter den regenverschmierten Scheiben ging ein Licht an und kurz darauf wieder aus. Die Geräusche von zerspringendem Glas drangen
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