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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
Autoren: emons Verlag
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ging ein Raunen durch die Menschenmenge.
    Da war ein zweiter Mann im Brunnen!

3
    Der Mann lag allerdings nicht wie der erste, sondern stand – aufrecht, knietief und barfuß im Wasser und war ganz offensichtlich noch quicklebendig.
    Er neigte den Kopf zu dem Toten und sah ihm prüfend in die Augen. Als er dessen rechten Arm aus dem Wasser holen wollte, rief Rubin:
    »Stopp! Nicht berühren!«
    Der Mann ließ augenblicklich von seinem Vorhaben ab und wandte sich freundlich Rubin zu.
    »Was machen Sie da?«, sagte Rubin und warf gleichzeitig Polizeiobermeister Schwarze einen fragenden Blick zu, der lediglich die Schultern hochzog.
    »Ich denke, der gute Mann macht nichts anderes als seine Arbeit«, sagte Bernstein. »Gestatten, dass ich die Herren vorstelle: Das ist Peng Ching, einer unserer besten Ärzte, eine Kapazität auf seinem Gebiet. Seine Praxis befindet sich dort drüben im zweiten Stock.«
    Er zeigte auf ein weißes Fachwerkhaus mit einer Apotheke im Erdgeschoss und zwei weiteren Stockwerken darüber.
    »Meister Ching, das ist Christoph Rubin, der neue Leiter der Polizei und ein eingeborenes Kind unserer Stadt.«
    Peng Ching stieg aus dem Brunnen und verneigte sich mit ausgesuchter Höflichkeit vor Rubin. Er war nicht größer als einen Meter siebzig und spindeldürr. In seinem Mondgesicht lächelten die Augen. Mit dem kahl geschorenen Schädel und dem Ziegenbärtchen sah er aus wie ein tibetanischer Mönch, der sein Gewand vorübergehend gegen Mantel, Pullover und Jeans eingetauscht hatte.
    »Ich habe mich vergewissern wollen, dass keine Rettung mehr möglich ist«, sagte Peng Ching.
    »Und?«
    »Es ist keine Rettung möglich. Er ist tot.«
    Peng Ching sprach ohne Akzent in einem melodischen, fast singenden Tonfall.
    »Ich werde dem Notarzt Bescheid geben«, sagte Rubin.
    »Wozu?«, fragte Bernstein.
    »Ich brauche einen Totenschein.«
    »Der Notarzt ist bei uns in Bad Löwenau in der Kurklinik. Da wird er – unter uns gesagt – auch am häufigsten benötigt. Bis die Herren von dort hier sind, kann es allerdings eine Weile dauern. Warum Zeit vergeuden? Zeit ist Heilwasser, und Heilwasser ist bare Münze für die Stadt. Allzu lange sollte die Leiche nicht im Wasser schwimmen, sonst werden die Touristen nervös. Deshalb wäre es praktischer, wenn Peng Ching hier und jetzt die Leiche untersucht.«
    Rubin überlegte.
    »Können Sie einen Totenschein ausstellen?«
    »Selbstverständlich«, antwortete der Arzt zuvorkommend, »dazu muss ich die Leiche allerdings gründlich untersuchen – gründlich und vollständig entkleidet. Das wird hier draußen schlecht möglich sein.«
    »Können wir die Leiche in Ihre Praxis bringen?«
    »Gewiss.«
    Rubin überlegte weiter, die Spurensicherung würde mit diesem Vorgehen sicherlich nicht einverstanden sein. Er kannte die Kollegen zwar noch nicht persönlich, aber er wusste sehr genau, sie waren überall auf der Welt gleich pingelig und mochten es nicht, wenn Leichen bewegt und erst recht nicht, wenn sie vom Fundort entfernt wurden. Andererseits hatten der Regen der letzten Nacht und das Heilwasser sowieso alle Spuren abgewaschen.
    »So machen wir’s«, sagte er schließlich zu Peng Ching. »Haben Sie eine Bahre, um den Toten zu transportieren?«
    »Sicher. Wenn mir bitte nur jemand beim Tragen assistieren könnte.«
    Rubin winkte Schwarze herbei.
    »Es ist der Türke von gegenüber, oder?«
    Die Stimme des kräftigen Mannes mit den blassen, schmalen Augen klang deutlich nach frühem Morgen.
    Es war Bernd Schirner, der Besitzer des gleichnamigen Cafés am Marktplatz, der sich Rubin und Bernstein unbemerkt genähert hatte.
    »Wundert mich nicht, das Ganze hier«, brummte Schirner übertrieben laut und verzog den Mund, »habe mich schon oft gefragt, wann es so weit kommt.«
    Rubin runzelte die Stirn, Bernstein würdigte den Mann nur eines einzigen kurzen Blickes.
    »Na ja, Herr Hauptkommissar, Sie sind ja neu hier, wie man hört. Sie kennen die Verhältnisse noch nicht. Und können auch die Typen nicht kennen, die da im Mini-Supermarkt ein und aus gehen! Ha, Pack, sage ich Ihnen, Pack geht dahin!«
    Freitag kam herbeigelaufen, und Rubin kraulte den Kopf des Golden Retrievers, der sich in Habachtstellung vor dem Mann platzierte.
    »So, Pack, meinen Sie?«, sagte Rubin.
    Bernstein schaltete sich ein: »Herr Schirner, Konditor der Extraklasse und Erfinder des berühmten Bad Löwenauer Astkuchens, gestatten Sie eine bescheidene Frage: Ist Ihr Café schon für die Aufnahme von
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