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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
Autoren: emons Verlag
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aller Kraft hob er die Leiche zum Brunnenrand.
    Dort legte er den Kopf auf den Stein, während Jana Cerni über den Rand hinweg nach einem Fuß griff. Gemeinsam hievten sie die Leiche auf den Brunnenrand, unter dem die Bahre schon bereitstand. Schwarze ergriff Serkans Schultern, Jana Cerni die Füße.
    Das Heilwasser floss in grauen Bächen aus den Kleidern des Toten. Sie legten ihn auf die Bahre. Freitag schwänzelte um die Bahre herum. Neugierig und verwirrt, bis ihn Rubin schließlich zu sich rief.
    Und gerade in dem Moment, als Polizeiobermeister Schwarze sich anschickte, mit seiner Kollegin die Leiche auf der Bahre in die Praxis von Peng Ching zu transportieren, tippte Bernstein der blonden Polizistin auf den Rücken.
    »Lassen Sie mich das für Sie tragen, Jana. Das ist doch nun wirklich keine Aufgabe für eine Dame.«
    Für einen winzigen Moment errötete Jana Cerni, beinahe gegen ihren Willen. Und der Journalist trug gemeinsam mit dem verblüfften Polizeiobermeister Schwarze die Bahre mit der Leiche.
    So setzte sich der seltsame Leichenzug mit Hund in Bewegung.

5
    Noch vor dem Betreten der Praxis musste sich Rubin sehr wundern. Auf einem Messingtürschild stand: »Peng Ching – Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur«. Rubin begann sich zu fragen, ob er Bernstein nach einem Vierteljahrhundert noch immer vertrauen konnte.
    In den niedrigen Praxisräumen mit den hellen Deckenbalken und den gesprossten Fenstern fiel Rubin dann der angenehme Geruch auf, der auf ihn beruhigend wirkte und ein wenig dazu beitrug, die Zweifel an seinem Schulkameraden zu zerstreuen. Er konnte den Duft von Lemongrass und Zedernholz wahrnehmen, dazu einen Hauch von Patschuli und als Obernote etwas Süßliches, das ihn an einen heißen Kräutertee mit viel Honig denken ließ.
    Die Wände der Praxis waren mit chinesischen Malereien geschmückt. Auf einem dunkel eingefassten Schild stand in heller, großer Schrift: »Konfuzius sagt: Erkenne dich selbst.«
    Nachdem Schwarze und Bernstein die Bahre mit dem Toten im Behandlungszimmer abgestellt hatten, warf der Polizist dem Journalisten einen giftigen Blick zu.
    »Ich danke dem Herrn von der Zeitung für seine Hilfe!«
    »Gern geschehen. Jeden Tag eine gute Tat. Ich war früher mal bei den Pfadfindern.«
    Schwarze hatte den ganzen Weg barfuß zurückgelegt und musterte nun seine blanken Füße, die dunkelrot angelaufen waren. Er rieb sich den Nacken, drehte mit einem gequälten Gesichtsausdruck den Kopf und verzog den Mund.
    »Verdammt, ich glaube, ich habe mir den Rücken verhoben.«
    »Nehmen Sie einen Moment im Wartezimmer Platz«, sagte Peng Ching lächelnd, »ich werde mich zuerst um den Toten kümmern, dann sehe ich mir Ihren Rücken an. Eine kleine Akupunktur kann wahre Wunder bewirken.«
    Polizeiobermeister Schwarze riss entsetzt die Augen auf und flüchtete nach draußen, schließlich standen seine Schuhe noch immer auf dem Marktplatz. Jana Cerni folgte ihm.
    Peng Ching lächelte und schloss die Tür des Behandlungszimmers. Nun waren nur noch er selbst, Rubin und Bernstein im Raum. Freitag hatte es sich im Wartezimmer bequem gemacht.
    »Wie lange werden Sie für die Untersuchung brauchen, Herr Ching?«, fragte Rubin nach einem Blick auf seine Uhr. Es war schon nach zehn.
    »Die Zeit hilft dem, der sie zu nutzen weiß. Wenn Sie beide mir helfen, wird es schneller gehen.«
    »Sagen Sie, was wir machen sollen.«
    Und Bernstein fügte hinzu: »Wie wir leibhaftig mit eigenen Augen erkennen können, kann das Leben ein kurzes Vergnügen sein. Also ist es die größte aller Sünden, Zeit zu vergeuden. Fangen wir an.«
    Im Behandlungszimmer fehlten fast vollständig die üblichen ärztlichen Utensilien – mit Ausnahme eines Computers, der jedoch nicht eingeschaltet war.
    Sie entkleideten den Toten gemeinsam und wälzten ihn dafür von einer Seite auf die andere. Alle gingen sehr behutsam und sehr gewissenhaft vor. Peng Ching untersuchte die Haut am ganzen Körper, er kniff hinein, rieb mit dem Daumen darüber, raffte einen Hautlappen am Bauch und zog daran. Dann wartete er einen Moment und notierte etwas auf einen Zettel. Er leuchtete mit einer Lampe in Mund, Nase und Ohren des Toten, drückte die Brust, stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht auf den Brustkorb und notierte wieder etwas auf einen Block. Während der ganzen Zeit arbeitete er hoch konzentriert, sprach kein einziges Wort und lächelte sanft in einem fort.
    Rubin wunderte sich immer mehr. Nicht allein über die
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