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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
Autoren: emons Verlag
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über den Marktplatz.
    Rubin konnte Hassan in diesem Moment verstehen, ja, wirklich gut verstehen – manchmal muss etwas zerstört werden, wenn eine andere Zerstörung nicht mehr zu ertragen ist.

4
    Allmählich verließen die ersten Kurgäste und Touristen den Marktplatz. Missmutig, vielleicht auch enttäuscht zogen sie davon, weil sich bei Nieselregen und Februartemperaturen nichts Spektakuläres mehr ereignete. Kein Einsatzwagen schoss mit Blaulicht und lautem Martinshorn über den Marktplatz, keine Spurenexperten in weißen Schutzanzügen stellten Gewebeproben und Fingerabdrücke sicher.
    Aber nicht alle zogen ab. Eine elegant gekleidete Seniorin mit lila Haaren erkundigte sich bei Jana Cerni:
    »Frau Polizistin, wie lange werden Sie noch für die Spurensicherung brauchen? Mein Mann und ich, wir müssten dann nämlich jetzt weiter für die ersten Anwendungen und würden später wegen des Heilwassers wiederkommen. Ist der Brunnen dann wieder zugänglich?«
    »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen«, antwortete Jana Cerni.
    Ein Mann in bunter Allwetterjacke fragte, ob er nicht auf die Schnelle, ganz unbürokratisch, ein bisschen Wasser abzapfen könnte, weil sein Kurarzt ihm wegen seiner Gicht eine regelmäßige Einnahme des Heilwassers verordnet habe.
    Die Polizistin schüttelte streng den Kopf.
    Rubin stand noch immer bei Bernstein, der mit Freitag Späße machte. Er warf Stöckchen um Stöckchen, die der Golden Retriever begeistert zu seinen Füßen ablegte. Er holte sie von überall her auf dem Marktplatz, kleine Ästchen oder Holzstücke von Gemüsekisten. Mit kauzigem Bellen und Fiepen forderte er Bernstein immer wieder zu einem neuen Wurf heraus.
    Rubin verfolgte das muntere Treiben der beiden, gleichzeitig stieg Unruhe in ihm auf. Wo blieb Schwarze mit der Bahre?
    Er legte die Hand auf Bernsteins Schulter und sagte: »Tut mir leid, wenn ich euch beide in eurem Spielvergnügen bremsen muss, aber ich möchte dich jetzt bitten, hinter die Absperrung zu treten. Ich muss mit den Ermittlungen beginnen.«
    »Und ich muss eine Kolumne schreiben, bester Rubin. Ich denke, wir arbeiten an ein und derselben Sache.«
    Rubin stutzte. »Ich kann dich aber nicht an der Polizeiarbeit teilhaben lassen. Die Vorschriften verlangen …«
    »… dass du den Fall aufklärst. Und von mir wird verlangt, dass ich die Stadt aufkläre. Damit wären wir schon zwei im Bunde«, sagte Bernstein und steuerte zielstrebig auf den Brunnen zu. Freitag legte wieder sein Stöckchen ab, doch diesmal ging Bernstein nicht auf das Spiel ein.
    »Komm her und sieh dir Serkan mal genauer an, Rubin.«
    Bernstein legte sein Kinn in die Hand, den Kopf sanft auf die Seite und spitzte den Mund.
    »Wir sehen: Seine Augen sind weit aufgerissen, sein Mund ist geschlossen. Wie seltsam, eine Mischung aus jähem Entsetzen und plötzlichem Verstummen.«
    »Was hat ihn so sehr entsetzt – willst du das damit sagen?«
    »Ja, ganz genau: Was hat Serkan in seinen letzten Momenten erlebt, das ihn verstummen ließ? Etwas Schreckliches muss seinen Schrei unterdrückt haben!«
    Rubin trat dichter an den Brunnenrand.
    »Es gibt offensichtlich keine Spuren von Gewalteinwirkung«, sagte er. »Wirf mal einen Blick auf seine Jacke. Was fällt dir auf?«
    »Sie ist bunt gemustert und hat den zweifelhaften Chic der Vorsaison.«
    »Was noch?«
    »Hm, sie ist nass.«
    »Witzbold. Sie ist geöffnet!«
    »Das Hemd darunter ist auch offen. Bis zum dritten Knopf. Sein Schal hängt lose um die Schultern.«
    »Genau, Bernstein, bei diesen Temperaturen trägt gewöhnlich jeder seine Kleidung geschlossen, oder?«
    »Ja, selbst deine Kollegin, die bezaubernde Jana Cerni, hat, wie ich zu meinem Bedauern feststellen muss, heute ihren Kragen bis zum Kinn geschlossen – ein Jammer.«
    Bernstein machte ein paar Schritte um den Brunnen herum und drehte wieder seinen gelben Schirm. Schließlich tippte er mit dem Zeigefinger gegen seine Lippen.
    »Wie könnte sich das Ganze abgespielt haben? Aller Wahrscheinlichkeit nach so: Serkan wurde in einem überhitzten Hinterzimmer Opfer einer Verschwörung. Ein gewissenloser Schuft war mit den Ratenzahlungen seines Computers im Verzug und wollte den Kreditkauf auf die harte Tour stornieren. Nach der Bluttat hat er die Leiche als grausiges Mahnmal in den Brunnen gestopft.«
    Genau wie früher, dachte Rubin. Bernstein hatte es schon immer geliebt, die graue Realität der Welt und des Lebens mit farbenprächtigen Geschichten auszuschmücken. Rubin
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