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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
Autoren: Heyne
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Psychotherapeuten noch nie absichtlich auf mehr als hundert Meter genähert haben, die Meinung noch recht fest ins Hirn eingekratzt:
    Die Psychologen haben doch selbst alle einen an der Waffel.
    Neulich geriet ich in eine Sendung über die Besatzung eines Schleppers. Einer der jungen Seebären meinte plötzlich, ohne dass ich einen Zusammenhang erkennen konnte: »Vom Psychopathen zum Psychologen ist eine sechswöchige Fortbildung.« Einfach so, nebenbei, wie andere Leute »Aber hallo« sagen, oder »Der Drops ist gelutscht«. Ich neige eigentlich nicht zu extremer Humorlosigkeit, aber das fand ich recht – dreist. Ich drücke mich absichtlich zurückhaltend aus, weil man ja nie weiß, wann es einen mal auf einen Schlepper verschlägt.
    Ich bekomme immer wieder gern – auch von Menschen, die mich privat kennen und eigentlich ganz in Ordnung finden – von »Psychologen« erzählt, bei denen die Schwester eines Bekannten war, oder die Eltern eines Klassenkameraden des eigenen Filius sind. Und die seien irgendwie komisch. Also echt daneben. Wenn ich dann nachfrage, bekomme ich nie eine gescheite Antwort. Weder erfahre ich, in welchem Bereich die Leute arbeiten, noch, welche Ausbildung sie haben. Sobald ich versuche, einen handfesten Beweis für die Existenz »komischer Psychologen« zu bekommen, löst der sich in Luft auf. Wie bei einem Gerücht. Oder bei der Suche nach Beweisen, dass Außerirdische seit 1947 unter uns leben und weite Bereiche der Süßwarenindustrie kontrollieren.
    Natürlich gibt es auch unter meinen Kollegen welche, die ich irgendwie seltsam oder gar unsympathisch finde. Aber auch nicht mehr, als ich wahrscheinlich bei einer Versammlung der Autolackiererinnung oder beim Juristentag finden würde.
    Ich bezweifle ebenfalls nicht, dass es bessere und schlechtere Psychotherapeuten gibt. Aber seltsamerweise löst sich auch hier vieles auf, sobald ich nachfrage, bei wem denn die Schwester des Bekannten in Behandlung war. Da ist dann die Rede davon, dass das »wohl ein Psychologe« war, bei dem die Betreffende »aber nur ein paar Stunden« war. Was würde man davon halten, wenn jemand erzählt, jemand sei einmal bei jemandem gewesen, der »wohl ein Arzt« war, der ihm bei seiner körperlichen Erkrankung aber nicht habe helfen können? Wie gesagt, ich zweifle nicht daran, dass es, wie in jedem anderen Beruf, auch in dem unseren solche und solche gibt, und bestimmt sind auch ein paar schwarze Schafe darunter. Schade fände ich es nur, wenn jemand, der psychotherapeutische Hilfe braucht und von einer Behandlung profitieren könnte, sie nicht in Anspruch nimmt, weil unbewiesene Vorurteile von Leuten verbreitet werden, die keine Ahnung haben, wovon sie reden.
    Die »Einen-an-der-Waffel«-Fraktion hat gern auch noch einen anderen Spruch parat:
    Die werden doch nur Psychologen, um sich selbst zu heilen.
    Menschen haben sehr unterschiedliche Gründe, Fernfahrer oder Richterin zu werden. Und unterschiedliche Gründe, Psychotherapeut zu werden. Niemand tut etwas grundlos.
    Ich bin beispielsweise Psychotherapeutin geworden, weil ich das Detektivspielen liebe. Ich finde es spannend herauszufinden, was jemand dazu bringt, etwas zu tun, von dem er selbst nicht weiß, warum er es tut.
    Natürlich ist die Neugier darauf, wie Menschen funktionieren, und somit, wie man selbst funktioniert, auch eine der Triebfedern, Psychologie zu studieren und eine Ausbildung zum Psychotherapeuten zu machen. Man kann eine Ausbildung zum Elektriker machen und es irgendwann ganz praktisch finden, dass man auch beim eigenen Hausbau ein paar Leitungen verlegen kann. Das ist ein netter Nebeneffekt. Aber kein Mensch wird ausschließlich aus diesem Grund Elektriker.
    Bei uns kommt verschärfend hinzu, dass das wegen der Geschichte mit dem Unbewussten nicht funktionieren würde. Wir können uns nicht selbst therapieren. Punkt. Warum sollte man ein komplettes Studium samt ebenso langer Zusatzausbildung auf sich nehmen, wenn man einfach nur eine Psychotherapie machen müsste?
    Zumal es spätestens in der therapeutischen Zusatzausbildung Ausbilder gibt, die jemanden, der für diesen Beruf nicht die nötige Stabilität mitbringt, am Schlafittchen packen und ihm stecken würden, dass er an dieser Stelle verkehrt ist.
    Nein, auch dieses Vorurteil überzeugt mich nicht.
    Dabei ist es gar nicht mal so unverständlich, dass solche Vorurteile existieren. Zumindest aus Psychologensicht. Ihnen liegen wohl die gleichen Gründe zugrunde, aus denen man sich als
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