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Cupido #1

Cupido #1

Titel: Cupido #1
Autoren: Jilliane Hoffman
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Blut auf die Liege tropfte. Sein Blut.
    In diesem Moment bekam er Angst, denn ihm wurde klar, dass er den allerklassischsten Fehler begangen hatte.
    Er hatte sie unterschätzt.

97.
     
     
    Sie wusste genau, sie hatte nur eine Chance. Die Chance, ihn so nah herankommen zu lassen, dass sie ihm die Klinge ins Auge, Ohr oder den Hals rammen konnte. Ihr war klar, dass ihre Kräfte noch nicht wieder voll da waren, die Arme immer noch geschwächt.
    Summend kam er in seinem grünen OP–Anzug durch den Raum. Dann stand er über ihr, runzelte die Stirn. Sie spannte die Faust, drückte das Skalpell in ihrer Hand. Hatte sie sich mit der Liege nicht an den richtigen Ort zurückgerollt? Hatte sie den Wagen mit den Instrumenten, bei dem Versuch, sich von der Wand abzustoßen, zu sehr verschoben? In der vollkommenen Finsternis war es unmöglich gewesen, zu erkennen, wie die Dinge vorher genau gestanden hatten.
    Er war nahe, aber nicht nahe genug. Doch offensichtlich merkte er, dass etwas nicht stimmte. Die rechte Hand. Er sah, dass sie nicht festgeschnallt war. Auf ihrer Stirn sammelte sich Schweiß, selbst hier, in diesem eiskalten Raum. Dann griff er nach ihrem Arm, hob ihn hoch und ließ ihn dumpf auf den Stahl fallen. Sie versuchte ihn wie gelähmt fallen zu lassen, nur das Skalpell ließ sie nicht los. Nicht loslassen. Egal was passiert, nicht loslassen. Er schien zufrieden und drehte sich zu dem Rollwagen hinter ihm um.
    Innerlich seufzte sie erleichtert auf. Näher, komm noch ein kleines Stück näher mit deiner Infusion. Nur ein kleines Stück noch.
    Doch plötzlich packte er brutal ihre Hand, knallte sie gegen die Liege, zwang ihre Finger auseinander. Nein. Nein. Nicht loslassen! Sie ballte die Faust fester, spürte, wie die Klinge ihr ins Fleisch schnitt, in die Sehnen und den Muskel. Aber sie ließ nicht los. Nicht, bis er den letzten Finger aufgebogen hatte. Er lächelte, ein selbstgefälliges Lächeln, er hatte sie durchschaut. Ihren Plan vereitelt. Tränen rollten ihr in scheinbar letzter Verzweiflung über das Gesicht.
    Näher, komm näher, du Scheißkerl. Ich habe noch ein Ass im Ärmel. Ein Abschiedsgeschenk, bevor du mich für immer zur Ruhe bettest. Mit etwas Glück schaffe ich es beim ersten Versuch. Denn sonst ist es endgültig vorbei.
    Sein selbstgefälliges Gesicht, Zentimeter über ihrem. Die Manschette und die Spritze in seiner Hand.
    «Fahr zur Hölle!», schrie sie.
    Sie spie ihm die Worte ins Ohr. Das Dreier–Skalpell war unter der linken Hand versteckt, die Armfessel lag nur lose über dem Handgelenk. Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, holte sie aus und rammte ihm die Klinge in den Hals. Blut spritzte wie aus einer Fontäne. Sein Blick, der sie eben noch triumphierend fixiert hatte, weitete sich vor Schreck.
    Er taumelte rückwärts, stieß gegen den Rollwagen und torpedierte ihn gegen die Wand. Chirurgische Instrumente flogen klappernd zu Boden. Mit der einen Hand hielt er sich den Hals, mit der anderen versuchte er, nach ihr zu greifen, die Pupillen jetzt starr vor Schock, doch er stürzte gegen die Wand.
    Alles war voller Blut. Sie musste die Halsschlagader getroffen haben. Der ganze OP–Anzug färbte sich rot. Er starrte sie immer noch an, aber jetzt war sein Gesicht finster. Seine Worte waren erstickt, er schien keine Luft zu bekommen.
    Sie rollte sich von der Liege und knallte hart auf den Boden. Ein sengender Schmerz schoss ihr durch die Seite, und sie fühlte, wie ein Knochen brach. Sie konnte die Beine immer noch nicht richtig bewegen. Das Haloperidol hatte sie fürs Erste unbrauchbar gemacht, sie fühlten sich an wie Ballons, aus denen die Luft entwichen war. C.J. robbte über den Boden und schleppte sich bis zu der schwarzen Tür. Sie griff nach oben, ertastete den Türknauf über ihrem Kopf, dabei ließ sie ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie hatte starke Schmerzen in der Seite und bekam kaum Luft.
    Das Blut aus seiner Halswunde ergoss sich über den schwarzen Fußboden, es sah aus wie frisch lackiert. Sie versuchte um Hilfe zu schreien, doch sie brachte nur ein Röcheln hervor. Dann machte er ein gurgelndes Geräusch, und sie sah, dass sich seine Hand bewegte, nach etwas zu greifen versuchte.
    Sie musste raus hier, brauchte Hilfe. Als sie den Türknauf drehte, passierte nichts. Jetzt fiel ihr wieder das Rasseln des Schlüssels ein.
    Er hatte sie beide eingeschlossen.

 
98.
     
     
    Der Schlüssel. Der verdammte Schlüssel! Er war in seinem Jackett über dem Stuhl. Genau
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