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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt
Autoren: Nancy Kress
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berauben.«
    »Ich habe kein Licht, das irgendwer haben wollte!«
    »Oh, da täuscht du dich sehr, meine Liebe. Jede Seele
trägt Licht in sich. Und du ganz besonders, denn du verstehst
die Bedeutung des Schweigens. Wir Neuen Quäker glauben, dass
alle Weisheit mit Stille beginnt, weißt du? Du darfst uns dein
Licht nicht nehmen.«
    »Ich habe kein Licht«, sagte Lucy entschieden. »Und
Sie verstehen es nicht: Außerirdische sind dort draußen.
Sie werden uns vernichten, wenn ich nicht schieße!«
    Jake holte tief Luft. Das würde nicht funktionieren. Shipley
war ein Dummkopf, wenn er etwas anderes glaubte. Mit seiner
lächerlichen, altertümlichen Religion…
    »Wenn du schießt, nimmst du uns auch das Licht dieser
Außerirdischen«, sagte Shipley.
    Lucy antwortete nicht. Sie wandte sich wieder dem Laserschneider
zu, um ihn wie eine Kanone zu benutzen. Hilflos trat Jake einen
Schritt vor. Er war schon einmal mit tödlicher Gewalt
konfrontiert worden, und er hatte sogar seinen Nutzen daraus ziehen
können. Aber diesmal…
    »Auch die Außerirdischen haben ihr Licht«, fuhr
Shipley fort, gerade so, als existierten Lucys eingebildete
Außerirdische tatsächlich. »Der Tod ist nichts
Böses, meine Liebe. Aber es ist etwas Böses, ein Leben zu
nehmen, denn das entzieht der Welt das Licht eines anderen. Wer
weiß, was wir von diesen Geschöpfen lernen
können.«
    »Aber sie wollen uns umbringen!«, schrie Lucy. Sie
wirkte noch viel erregter als schon zuvor. Ist das gut oder
schlecht ?, fragte sich Jake. Wusste Shipley wirklich, was er da
tat? Und warum hatte Jake, der stets glattzüngige
Unterhändler für jede Lebenslage, dem Quäker die
Verhandlungen überlassen?
    Weil Jake selbst keine Ahnung hatte, was er tun sollte.
    »Du glaubst, du würdest uns beschützen«, sagte
Shipley, »und das Richtige tun.« Seine Stimme verlor nie
ihre warme Herzlichkeit. »Aber bedenke, Lucy: Wenn wir das
Richtige tun, dann empfinden wir inneren Frieden, ganz egal, wie viel
Aufregung wir um uns herum haben. Empfindest du inneren Frieden und
Gelassenheit, meine Liebe? Fühlst du dich vom Licht
geleitet?«
    »Ich…«
    »Denn wenn dem nicht so ist, dann ist das, was du tust, auch
nicht das Richtige. Wenn du dich hin- und hergerissen fühlst,
wenn du Zorn empfindest, der dich von innen her auszehrt, dann bist
du nicht auf dem rechten Weg. Schau in dein Inneres, Lucy. Was
empfindest du?«
    »Doktor«, sagte Lucy eindringlich, »ich empfinde
niemals inneren Frieden und Gelassenheit.«
    Genau wie ich, dachte Jake und betrachtete Lucys Abbild auf
dem Bildschirm. Er hätte nie geglaubt, dass sie einander so
ähnlich waren. Oder vielleicht hatte er das doch, und das war
ein weiterer Grund gewesen, weshalb er ihr aus dem Weg gegangen
war.
    »Inneren Frieden finden und den rechten Weg bestimmen ist zu
viel Verantwortung für eine Person allein«, fuhr Shipley
fort. »Deshalb suchen wir Quäker die Führung des
Lichts im Konsens der Gemeinschaft. Das Licht eines jeden kann etwas
dazu beitragen, Lucy. Und der beste Weg, mit anderen umzugehen, ist
es, das Licht in ihrem Inneren anzusprechen.«
    »Diese Außerirdischen tragen kein Licht in
sich!«
    »Kannst du das mit solcher Bestimmtheit sagen?« Nun war
auch Shipleys Tonfall eindringlicher geworden. »Hast du so viel
Wissen und Einsicht? Traust du dir das wirklich zu?«
    Mein Gott, Shipley zielte geradewegs auf Lucys Schwäche: ihr
geringes Selbstbewusstsein. War das etwa besonders
moralisch?
    »Ich glaube nicht, dass du so selbstbezogen bist, Lucy. Bitte
komm heraus und teile dein Licht mit uns und profitiere von dem
unseren. Hilf uns, zu einer guten Entscheidung zu finden.«
    Nun appellierte er an Lucys Bedürfnis, gebraucht zu werden,
so wie zuvor an ihre Selbstzweifel. Jake beobachtete Shipley mit
tiefstem Misstrauen. Er hatte nicht gewusst, dass der Quäker
derart raffiniert und manipulativ sein konnte.
    Und Lucy Lasky wandte sich wieder dem Laserschneider zu,
zögerte kürz – und schaltete ihn ab. Sie ging zu der
Schleuse und öffnete sie manuell, was ihr sichtlich Mühe
bereitete. Sobald sich die Schleuse öffnete, griff Shipley nach
Lucy und zog sie in seine Arme. Sie legte den Kopf an seine Schulter.
Jake sah, dass sie zitterte.
    »Jake, hol die Tasche aus meiner Schlafnische. Gib Gail und
Hauptmann Scherer Bescheid, wenn möglich. Lucy und ich werden
hier warten.« Behutsam schob er mit dem Fuß die Schleuse
zu.
    Benommen folgte Jake den Anweisungen. Auf dem Bildschirm neben
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