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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt
Autoren: Nancy Kress
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der
Schleusentür sah er, wie Scherer und Wortz in Raumanzügen
und mit gezogenen Waffen um einen festgezurrten Container herumkamen.
In der nächsten Sekunde erklang Gails Stimme aus dem
Armbandsprechgerät, und die beiden bedrohlichen Gestalten auf
dem Schirm verharrten und standen plötzlich so still, als
hätte die Zeit selbst angehalten.
     
    »Sie hatte so viel Kortisol, Katecholamin und Arzendrol im
Blut, wie ein Körper dieser Größe überhaupt
ertragen kann«, sagte Shipley. »Es ist ein Wunder, dass sie
so lange durchgehalten hat. Eine sehr starke junge Frau.«
    »O ja«, stellte Gail fest. »So stark, dass sie uns
fast alle umgebracht hätte.«
    Man hatte Lucy ruhig gestellt, sie untersucht und für den
Rest der Reise in Kälteschlaf versetzt. Jake, Gail und Shipley
saßen in der »Bibliothek«, dem beliebtesten Raum des
Schiffes. Für diese Besprechung hatten sie die anderen
Mitreisenden fortgeschickt. Neben der Messe und dem Fitnessraum war
die Bibliothek der einzige Gemeinschaftsraum. Er enthielt eine
VR-Konsole, Regale mit Filmen und Musik, die man sich an
persönlichen Abspielgeräten ansehen konnte, sowie
Computerterminals mit Zugriff auf die Schiffsbibliothek.
Außerdem gab es ein Außenfenster, was allein schon jeden
der Reisenden lockte.
    Für gewöhnlich verbrachten so viele Leute hier ihre
Freizeit, wie der Raum gerade eben aufnehmen konnte. Aber der
Mira-Büroraum und der mit Trainingsgeräten voll gestellte
Zwei-Personen-Fitnessraum waren beide so klein, dass Shipley nicht
zusammen mit Gail und Jake hineingepasst hätte. Daher hatte Jake
die Bibliothek räumen lassen, was für einige Verstimmung
gesorgt hatte.
    »Was sind das für Substanzen, die Sie aufgezählt
haben?«, wollte er wissen.
    Shipley lehnte sich in dem roten Schalenstuhl zurück. Helle
Farben, so hatten Jakes Nachforschungen ergeben, waren bei langen
Reisen auf engem Raum sehr wichtig. Auch wenn die roten Stühle
Lucy Lasky wenig genutzt hatten.
    Shipley erklärte: »Katecholamin ist ein Enzym, das der
Körper produziert, wenn man sich gehetzt fühlt. Kortisol
ist eine allgemeine Reaktion auf Stress. Arzendrol entsteht
während paranoider Wahnvorstellungen.«
    »Also ist Lucy eine Paranoikerin?«, fragte Gail.
»Dieses unscheinbare kleine Ding, das es immer jedem Recht
machen will?«
    »Es jedem Recht machen zu wollen gehört dazu«,
erklärte Shipley geduldig. »Die Sache ist die… Lassen
Sie es mich von Anfang an erklären. Wenn der Körper unter
Stress steht, findet das Nervensystem normalerweise zu einem
Gleichgewicht zurück, sobald der Stress vorbei ist. Alle
Körperchemikalien sinken dann wieder auf einen normalen Wert
zurück. Aber wenn die Anspannung kein Ende nimmt, kann der
Körper auch nie ein Gleichgewicht herstellen, sodass sich
chronische nervöse Störungen entwickeln. Im Laufe der
Zeit…«
    »Was hat auf Lucy einen solchen Stress ausgeübt, das wir
Übrigen nicht registrierten?«, wollte Gail wissen.
»Sie ist Paläontologin! Auf dem Schiff gibt es keine
Saurierknochen – niemand hat irgendwelche Anforderungen an sie
gestellt!«
    Shipley faltete die Hände über dem fülligen Bauch.
»Das war ein Teil von ihrem Stress, Gail. Eine Person wie Lucy
braucht eine Aufgabe. Es belastet sie außerdem, sich
ständig mit anderen Menschen auseinandersetzen zu müssen,
selbst unter weniger beengten Verhältnissen. Manche Menschen
sind so. Und hier an Bord der Ariel gibt es nicht viele
Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen.«
    »Sie war die meiste Zeit allein in ihrer Schlafnische«,
widersprach Gail.
    »Und dadurch fühlte sie sich noch nutzloser. Lucy
braucht viel Zeit für sich allein, aber sie muss dabei eine
Aufgabe haben. Sie ist nicht zufällig Paläontologin
geworden, verstehen Sie? Wenn wir erst einmal auf Greentrees sind,
wird sie wieder zu sich finden.«
    Jake war sich da nicht so sicher. Vielleicht würde der
Zwischenfall Lucy so sehr belasten, dass allein die Scham
darüber sie in Stress versetzte. Jake hatte so etwas am eigenen
Leib erfahren.
    Gail lenkte unerwünscht die Aufmerksamkeit auf ihn:
»Jake, als wir das erste Mal über Lucy gesprochen haben,
meintest du, es sei deine Schuld. Warum?«
    Shipley betrachtete ihn eindringlich, was Grund genug war, nicht
zu viel zu verraten. Jake sagte: »Oh, ich wollte nur sagen, dass
ich auf ihr Verhalten hätte achten müssen. Immerhin bin ich
Vorsitzender der Mira Corporation.«
    »Diese Verantwortung trage ich genauso«, erwiderte
Gail.
    »Das ist wahr«,
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