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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt
Autoren: Nancy Kress
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immer da, als irgendwann später Ingrid
auftauchte und ihm zurief: »Jake! Komm! Karim hat das Schiff der
Pelzlinge gesichtet!«
     
    Es herrschte eine Stille wie in einer leeren Kathedrale.
Unvermittelt kam es Jake in den Sinn, dass er lieber inmitten
menschlichen Treibens sterben würde als in dieser Grabesstille.
Aber niemand wollte riskieren, Karim in seiner Konzentration zu
stören.
    Der junge Physiker saß im Pilotensitz, mit der Tafel, auf
der Jake den Pelzlingen den angeblichen Standort der genetischen
Bibliothek skizziert hatte. Karim kritzelte hektisch in einer
winzigen, engen Handschrift. Alle zwanzig Sekunden blickte er auf und
musterte die Anzeigen, vermutlich um sich zu vergewissern, dass sich
nichts verändert hatte. Sein dunkler gekräuselter
Haarschopf schuf einen unruhigen Schatten auf seinem hoch
konzentriert wirkenden Gesicht. Abgesehen von einem breiten Streifen
aus grobem Tuch um die Hüften war er nackt.
    Er rechnete von Hand. Im Sechsersystem. Unter mehr Druck, als
selbst Jake sich vorstellen konnte – und der war an angespannte
Situationen gewohnt.
    Jake spähte aus respektvoller Distanz auf die Anzeigen, aber
sie sagten ihm nichts. Schnörkel und Linien und sonderbare
bienenstockartige Gebilde in dreidimensionaler Darstellung. Ob Karim
wirklich wusste, was er tat? »Viele Annahmen«, hatte
Gail gesagt, und sie hatte Recht. Oh, wie Recht sie hatte.
    »Okay«, verkündete Karim, »ich hab’s. Auf
geht’s.«
    Er ließ die Tafel fallen und griff nach den eigenartigen
Ausformungen am Steuerpult. Jake sah, dass seine Finger
zitterten.
    Wie üblich spürte man keine Bewegung. Aber das
Mannschaftsmodul glitt näher an die Massescheibe heran. Sie
beschleunigten.
    Jake wusste nicht, wie weit sie flogen. Die Beschleunigung und das
Abbremsen dauerten nur wenige Minuten. Dass sie stoppten, erkannte
Jake nicht nur daran, dass die Massescheibe auf maximale Entfernung
zu ihnen zurückwich, sondern auch, weil Karim plötzlich
nervös losplapperte. Seine Stimme klang vor Aufregung
abgehackt.
    »Okay, da sind wir. Ich hab den Antrieb ausgeschaltet. Wir
treiben nur noch. Die Scheibe zeigt dorthin, wo meinen Berechnungen
nach die Pelzlinge ihren Antrieb abschalten werden, wenn man ihre
Geschwindigkeit und die Verzögerung zu Grunde legt. Wir sind
nahe dran, sehr nah. Sie können uns natürlich nicht
entdecken, ehe sie den eigenen Plasmaantrieb deaktivieren, weil ihr
Antrieb einen gewaltigen Wirbel aus ionisiertem Gas
erzeugt.«
    »Karim…«, setzte Jake zögernd an. Er war sich
nicht sicher, ob es besser war, Karim Zuspruch zu geben oder ihn
einfach reden zu lassen.
    »Es wird aussehen wie eine hell strahlende Kugel, die eine
rötlich blaue Spur hinter sich herzieht.« Plötzlich
änderte sich Karims Tonfall. »Und da sind sie
schon.«
    Jake strengte seine nicht mehr ganz so jungen Augen an. Ja, da
waren sie, gerade noch sichtbar über dem Rand der schwarzen
Massescheibe. Die Pelzlinge hielten auf sie zu, eine dahinrasende
Leuchterscheinung mit langem Schweif. Sie wurde mit jeder Sekunde
heller – und verschwand dann hinter der Massescheibe. Jake
empfand eine irrationale Sorge. Wie würde Karim sie noch sehen
können?
    Aber natürlich flog Karim nicht nach Sicht. Seine Hände
berührten zwei der eigenartigen Vorsprünge, und sein Blick
war stets auf die Anzeigen gerichtet. Karim flog zeitgenau nach den
außerirdischen Einheiten, die er so spöttisch als
»Hüpfer«, bezeichnet hatte. Er wartete auf das Symbol,
das seinen Berechnungen nach den richtigen Augenblick anzeigte –
den genauen Augenblick, wenn die Pelzlinge den Antrieb abschalten und
das menschliche Schiff entdecken würden, das vorher das ihre
gewesen war.
    Nein, genau genommen wartete Karim auf den Augenblick unmittelbar
davor. Wenn die Pelzlinge den Antrieb deaktivierten, musste Karim das
eigene Schiff schon in Bewegung gesetzt haben.
    Es geschah so schnell, dass Jake sich nicht sicher war, dass es
überhaupt passiert war. Und dann war er sicher, und eine
sonderbare, verwirrende Übelkeit überkam ihn… Wir
haben es verfehlt.
    Das Schiff der Pelzlinge hatte den Antrieb deaktiviert. Wenige
sorgsam berechnete Sekunden davor hatte Karim das Schiff mit den
Menschen an Bord bis zum Äußersten beschleunigt, mit
annähernd 100 g. Mit der Scheibe voran war das Schiff auf
das Mannschaftsmodul des Pelzlingsschiffes zugeschossen, das sich,
als die Bremsphase abgeschlossen war, an seiner Stange von der
Massescheibe entfernt hatte, um die Kräfte im
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