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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin
Autoren: Der Uebergang
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Er liebe sie, es tue ihm leid, und so etwas
werde nie wieder passieren, nie wieder. Er schwor es. Und am Ende hörte sie sich selbst sagen, dass es auch ihr
leidtue.
    Es war um Geld gegangen, als er sie geschlagen
hatte. Als der Winter kam und sie nicht genug Geld auf dem Konto hatte, um den
Heizöllieferanten zu bezahlen, schlug er sie wieder.
    Verdammt noch mal, Frau, sieht du denn nicht,
dass ich fürchterlich in der Scheiße stecke?
    Sie lag auf dem Boden in der Küche und hielt
sich den Kopf. Er hatte sie so hart geschlagen, dass sie hingefallen war.
Komisch - jetzt, als sie dalag, sah sie, wie schmutzig der Boden war, dreckig
und fleckig, mit Staubflocken und Gott weiß, was da noch alles unten an den
Schränken klebte, wo man es normalerweise nicht sehen konnte. Mit der einen
Hälfte ihres Verstandes registrierte sie den Schmutz, während die andere Hälfte
sagte, du tickst nicht mehr richtig, Jeanette: Bill hat dich geschlagen und
dabei eine Schraube gelockert, und jetzt machst du dir Gedanken über den Staub.
Irgendwie passierte in dem Moment auch etwas Komisches mit den Geräuschen. Amy
saß oben vor dem kleinen Fernseher in ihrem Zimmer, aber Jeanette konnte alles
ganz laut und deutlich hören, als liefe der Apparat in ihrem Kopf - Barney, den
lila Dinosaurier, und ein Lied über das Zähneputzen. Und dann hörte sie, wie
aus weiter Ferne, den Heizöllaster wegfahren; er bog aus der Einfahrt, und das
Motorgeräusch verklang auf der Landstraße.
    Du hast hier nichts zu suchen, sagte
sie.
    Da hast du recht. Bill
nahm eine Flasche Old Crow von dem Bord über der Spüle und goss sich etwas in
ein Marmeladenglas, obwohl es erst zehn Uhr morgens war. Er setzte sich an den
Tisch, aber er schlug die Beine nicht übereinander wie einer, der es sich
bequem machen will. Und das Heizöl geht mich
auch nichts an.
    Jeanette versuchte aufzustehen, aber sie konnte
es nicht.
    Mach, dass du wegkommst.
    Er lachte, schüttelte den Kopf und nahm einen
Schluck Whiskey.
    Das ist witzig, sagte
er. Das sagst du mir von dort unten.
    Ich mein's ernst. Mach, dass du wegkommst.
    Amy kam herein. Sie hielt den Stoffhasen im Arm,
den sie überallhin mitschleppte, und trug eine Latzhose - die gute, die
Jeanette im Outlet Center für sie gekauft hatte, bei OshKosh B'Gosh, mit den
gestickten Erdbeeren auf dem Latz. Ein Träger baumelte an Amys Hüfte. Jeanette
begriff, dass Amy wahrscheinlich selbst den Träger aufgemacht hatte, weil sie
aufs Klo musste.
    Du liegst ja auf dem Boden, Mama.
    Alles okay, Süße. Jeanette
stand auf, um es ihr zu beweisen. In ihrem linken Ohr war ein leises Pfeifen,
wie in einem Zeichentrickfilm, als ob Vögel in ihrem Kopf herumschwirrten. Sie
sah auch ein bisschen Blut an ihrer Hand; sie wusste aber nicht, woher es kam.
Sie nahm Amy auf den Arm und lächelte, so gut es ging. Siehst
du? Mama ist nur hingefallen, mehr nicht. Musst du mal, Süße? Musst du aufs
Töpfchen?
    Sieh dich bloß an, sagte
Bill. Sieh dich doch selber an! Wieder
schüttelte er den Kopf und trank. Blöde Fotze.
Wahrscheinlich ist das Kind nicht mal von mir.
    Mama, sagte die Kleine und
streckte den Zeigefinger aus, du hast dir wehgetan. An
der Nase.
    Ob es daran lag oder an dem, was sie gehört
hatte, jedenfalls fing das kleine Mädchen an zu weinen.
    Siehst du, was du angerichtet hast?, sagte
Bill. Jetzt komm, sagte
er zu Amy. Ist halb so schlimm. Manchmal streiten sich die
Leute. Das ist einfach so.
    Ich sag's dir noch einmal: Verschwinde.
    Was willst du denn tun? Sag's mir. Du kannst ja
nicht mal den Öltank füllen lassen.
    Glaubst du, das weiß ich nicht? Das brauchst du
mir weiß Gott nicht zu sagen. Amy hatte angefangen zu
heulen. Jeanette hielt sie auf dem Arm und fühlte die warme Feuchtigkeit durch
die Hose, als das Mädchen seine Blase entleerte.
    Himmel noch mal, bring das Gör zum Schweigen.
    Sie drückte Amy fest an die Brust. - Du
hast recht. Sie ist nicht dein Kind. Sie ist es nicht, und sie wird's auch nie
sein. Jetzt verschwinde, oder ich rufe den Sheriff.
    Tu mir das nicht an, Jean. Im Ernst.
    Doch. Genau das tu ich.
    Da war er auf den Beinen und polterte durch das
Haus, raffte seine Sachen zusammen und warf sie in die Pappkartons, in denen er
sie vor ein paar Monaten erst hereingeschleppt hatte. Warum hatte sie nicht sofort
gesehen, wie merkwürdig es war, dass er nicht mal einen richtigen Koffer
hatte? Sie saß am Küchentisch mit Amy auf dem Schoß, beobachtete die Uhr über
dem Herd und zählte die Minuten, bis er in
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