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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin
Autoren: Der Uebergang
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und als es so weit war, dass die Frau das Geld
ausgeben durfte, das sie gewonnen hatte, wusste das Kind genau, was damit zu
haben war: Den Urlaub in Cancun konnte sie sich nicht leisten, aber wenn sie
die Wohnzimmergarnitur nähme, hätte sie noch genug übrig für die Golfschläger.
Jeanette nahm an, dass Amy wohl ziemlich gescheit war, wenn sie so etwas
ausrechnen konnte, und vermutlich sollte sie zur Schule gehen, aber sie wusste
nicht, wo es hier eine gab. Überall waren nur Karosseriewerkstätten und Pfandleihen
und Motels wie das, in dem sie wohnten, das SuperSix. Der Eigentümer hatte
große Ähnlichkeit mit Elvis Presley, aber nicht mit dem hübschen jungen,
sondern mit dem fetten alten mit den verschwitzten Haaren und der klobigen
Goldbrille, hinter der seine Augen aussahen wie Fische in einem Aquarium. Er
trug eine Satinjacke mit einem Blitz auf dem Rücken, genau wie Elvis. Meistens
saß er einfach an seinem Schreibtisch hinter der Rezeption, spielte Solitaire
und rauchte eine dünne Zigarre mit einem Plastikmundstück. Jeanette bezahlte
die Zimmermiete wöchentlich in bar, und wenn sie einen Fünfziger drauflegte,
ließ er sie in Ruhe. Eines Tages fragte er sie, ob sie vielleicht eine Waffe
von ihm kaufen wolle, zu ihrer eigenen Sicherheit. Klar, sagte sie, was kostet
so was, und er sagte: noch mal hundert. Er zeigte ihr einen rostig aussehenden
kleinen Revolver, einen .22er. Als sie ihn da im Büro in die Hand nahm, sah er
ziemlich mickrig aus, nicht wie etwas, womit man jemanden erschießen konnte.
Aber er passte in die Handtasche, die sie mitnahm, wenn sie sich draußen an den
Highway stellte, und vielleicht wäre es ja gar nicht so schlecht, ihn
dabeizuhaben. Passen Sie auf, wohin Sie damit zielen, sagte
der Manager, und Jeanette meinte: Okay, wenn Sie Angst
davor haben, muss er ja funktionieren. Ich kauf Ihnen den Revolver ab.
    Und sie war froh, dass sie ihn hatte. Jetzt erst
erkannte sie, dass sie vorher Angst gehabt hatte und jetzt nicht mehr,
jedenfalls nicht mehr so viel. Der Revolver war wie ein Geheimnis, das ihr ganz
allein gehörte, das Geheimnis nämlich, wer sie war. Als trage sie das letzte
Überbleibsel ihrer selbst in der Handtasche. Die andere Jeanette, die jetzt im
Rock und engen Top am Highway stand, die Hüfte vorstreckte und lächelte und
fragte: Was möchtest du, Baby? Kann ich heute Abend was
für dich tun? -, diese Jeanette war eine erfundene
Person, eine Frau in einer Geschichte, deren Ende sie vielleicht gar nicht
erfahren wollte.
    Der Mann, der an dem Abend, als es passierte,
bei ihr anhielt, war nicht das, was sie erwartet hätte. Die Üblen erkannte sie
meist auf den ersten Blick, und manchmal sagte sie, nein danke, und ging
einfach weiter. Aber der hier sah nett aus, ein College-Boy vermutlich,
zumindest noch jung genug für das College, und er war gut angezogen - eine frische,
saubere Khakihose und eins von diesen Hemden mit dem kleinen hammerschwingenden
Mann auf dem Pferd. Er sah aus wie jemand, der zu einem Date unterwegs war, und
darüber musste sie innerlich lachen, als sie in den Wagen stieg, einen großen
Ford Expo mit einem Gestell auf dem Dach, für ein Fahrrad oder so was.
    Aber dann passierte etwas Komisches. Er wollte
nicht ins Motel fahren. Manche Männer wollten es gleich hier mit ihr machen,
im Wagen, ohne auch nur auf den Parkplatz zu fahren, aber als sie damit anfing,
weil sie dachte, er wollte es so, schob er sie sanft von sich. Er wolle sie
ausführen, sagte er.
    Was heißt das, ausführen?, fragte
sie.
    Irgendwohin, wo es nett ist, erklärte
er. Möchtest du nicht irgendwohin, wo es nett ist?
Ich bezahle dir mehr, als du sonst kriegst.
    Sie dachte an Amy, die allein im Zimmer schlief,
und dachte sich, es wäre kein großer Unterschied, so oder so. Solange
es nicht länger als eine Stunde dauert, sagte sie. Dann
musst du mich zurückbringen.
    Aber es dauerte länger als eine Stunde, viel
länger. Als sie ankamen, wo sie hinwollten, bekam Jeanette Angst. Er hielt vor
einem Haus mit einem großen Schild über der Veranda. Darauf standen drei
Umrisse, die aussahen wie Buchstaben, aber nicht ganz, und Jeanette wusste, was
es war: eine Studentenverbindung. Irgendein Laden, in dem ein paar reiche
Jungs mit Daddys Geld wohnten und sich betranken, während sie so taten, als
studierten sie, um Ärzte oder Anwälte zu werden.
    Meine Freunde werden dir gefallen, sagte
er. Komm, ich möchte, dass du sie kennenlernst.
    Ich gehe da nicht rein, sagte
sie. Bring mich
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