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Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)

Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)

Titel: Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)
Autoren: Kera Jung
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Verbrechens an, musste jedoch diese Spekulation schließlich beerdigen, weil er auch die irgendwann zielsicher vor den Kopf stieß.
    Faktisch gab es niemanden, den Andrew Norton auf irgendeine Art zu begünstigen schien. Er behandelte alle Menschen auf die gleiche Weise: mit offenkundiger Ablehnung und Desinteresse.
    Wurde er von der Öffentlichkeit deshalb noch neugierig beäugt, so war er bei seinen Angestellten verhasst. Er galt als emotionslos, asozial, mitleidlos und war bekannt für seine unverhältnismäßig harten und kompromisslosen Entscheidungen.
    Sprach er überhaupt, dann so leise, dass man ihn nur mit Mühe verstand. Ein überflüssiges Nachfragen jedoch, konnte unter Umständen zur sofortigen Entlassung führen. Er wurde nie laut, seinen Unmut erkannte man, wenn überhaupt, an den drohend aufgerissenen Augen. Nie ließ er sich auf Diskussionen ein, Brainstorming verkam für ihn zum Fremdwort. Seine Entscheidungen waren Gesetz, die Vorstandsmitglieder eher Marionetten, als gleichrangige Mitarbeiter. Norton war dafür bekannt, jedes noch so kleine, nebensächliche Detail zur Chefsache zu erklären. Und sollte die Delegation einer Aufgabe doch einmal unumgänglich werden, erwartete er perfekte Erledigung und einen umfassenden Bericht.
    Es erfolgte nie ein persönliches Wort – in Wahrheit gab es überhaupt nie ein Wort. Man war sich einig, dass dieser Mann einen arroganten Arsch bester Güte darstellte, der sie alle, einschließlich des oberen Managements, für hauseigenen Abfall hielt, weshalb sich jede Kommunikation mit ihnen erübrigte.
    Heimlich jedoch, zitterten alle vor ihm. Denn niemand wusste, wen er als nächstes aufs Korn nehmen würde.
    Kein Mensch wäre jemals auf die Idee gekommen, ihn ohne triftigen Grund anzusprechen. Und selbst wenn der vorlag, überlegte man es sich dreimal, bevor man Nortons Nähe suchte.
    Er war verhasst, gefürchtet und die gesamte Belegschaft hätte so einiges dafür getan, um den jungen Emporkömmling, der in den meisten Fällen um die zwanzig Jahre jünger als seine Untergebenen war, ein für alle Mal loszuwerden. Händeringend lauerten sie auf irgendeinen Skandal, einen Fehler oder eine falsche Entscheidung, die man ausschlachten und für die eigenen Zwecke missbrauchen konnte.
    Leider blieb etwas in der Art aus.
    Selbst die winzigsten Veränderungen entgingen Nortons wachsamen Auge nicht. Die Anordnung der Fahrzeuge in der Tiefgarage entsprach seinem Plan. Eines der ersten Dinge, die er nach Firmenübernahme umgehend durchsetzte, war die strikte Kleiderordnung. Jeans oder alles, was aus Jeansstoff gefertigt war, Sportschuhe, schlecht oder mangelhaft gebügelte Hemden, das Fehlen einer Krawatte waren nicht verpönt, sondern bei Androhung der sofortigen Entlassung verboten. Er selbst trug ausschließlich maßgeschneiderte Designerkleidung. Auch das gehörte neben seinem Wispern, dem ewig starren Blick, der Ignoranz und der unerträglichen Arroganz zu seinen Markenzeichen.
    Man sah ihn nie lachen. Selbst ein Lächeln war so selten, dass man es im Kalender eintrug, wenn es doch einmal erschien. Es gab nie ein Lob, nie ein Dankeschön, niemals eine Anerkennung, die nicht aus Dollarnoten bestand.
    Das war die Art, wie Norton – das Ekel, in Fachkreisen auch Mr. Brute genannt – seine Leute motivierte und sie trotz der unmöglichen Arbeitsbedingungen bei Stange hielt. Er entschuldigte keinen noch so geringen Fehler, erwartete übermenschliche Leistungen und zwar an jedem Tag. Jemand, der in seinem Unternehmen beschäftigt war, genoss kein verbrieftes Anrecht auf ein Wochenende oder Urlaub. Wenn es die Lage erforderte, wurde beides ersatzlos gestrichen.
    Doch er bezahlte seine Mitarbeiter überdurchschnittlich gut. Jeden. Vom Vorstandsmitglied bis zur Pauschalkraft in der Postabteilung. Es gab keinen vergleichbaren Job in der Stadt, möglicherweise nicht einmal im gesamten Bundesstaat.
    Die Menschen ließen sich gern kaufen – daraus schlug Norton Kapital.
    * * *
    Als er den Aufzug verließ und zu seiner Limousine lief, waren die Augen ausschließlich auf sein Ziel fixiert. Er sah und hörte nichts von dem, was ihn umgab.
    Der große, schlanke, gut gebaute Mann durchschritt die düstere Tiefgarage. Die Haltung war makellos, der Schritt gemessen, nicht zu schnell und nicht zu langsam. Beschwingt, elegant, ausnehmend bestechend. Das dunkle Haar war kunstfertig geschnitten, nicht zu kurz und nicht zu lang. Die Kleidung wirkte leger, doch selbst ein Mensch aus der
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