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Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)

Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)

Titel: Creatio ex nihilo (Urteil: Leben)
Autoren: Kera Jung
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übrigens auf sein vierzehntes Lebensjahr. Den Zeitpunkt, an dem er zum ersten Mal für einen anderen Menschen erfolgreich an der Börse spekulierte.
    Eher ein Experiment, handelte es sich um niemand Bedeutendes. Doch Andrew war erfolgreich und der Lebensabend des Kioskbesitzers gesichert, der sein Häuschen direkt neben der Highschool für die Kinder gut situierter und prominenter Bürger aufgestellt hatte.
    All das lief, solange er drei Stunden Schlaf in der Nacht bekam.
    Die magische Grenze. Sie entschied darüber, ob der folgende Tag an die Gewinner- oder die Verliererseite gehen würde.
    Der DS akzeptierte das natürlich nicht.
    Doch Andrew hatte die Erfahrung gemacht, dass ihn selbst dessen Vorwürfe nicht mehr sonderlich nahegingen, wenn sich die Gesichter der Menschen in wabernde, monsterähnliche Fratzen verwandelten. In Wahrheit schien die Stimme in seinem Kopf immer leiser zu werden.
    Irgendwann hatte er sich einmal gefragt, warum das so war und kam bald auf die zwangsläufige Antwort:
    Immer dann, wenn er sich mit Monstern und tatsächlich ausweglosen Situationen auseinandersetzen musste, war kein DS anwesend. Seltsamerweise strich der genau in diesen Momenten immer die Segel ...
    Er schien sich nur mit Problemen zu befassen, die behebbar waren, was zwangsläufig bedeutete, dass nichts und niemand – nicht einmal der DS – Andrew jemals von dessen Albträumen und dem mangelnden Schlaf befreien würde.
    Damit war dies die einzige Angelegenheit, in der Andrew nach wie vor auf sich allein gestellt war.
    Jene unregelmäßig aufkommenden Phasen kosteten ihn als Kind fast den Hals, weil es nichts gab, womit er sich behelfen konnte. Selbst der Kaffee half an solchen Tagen nicht mehr. Und diesen besonderen Kampf focht Andrew noch aus, als er längst erwachsen war.
    Lange trotzte er, auch noch, als er glaubte, keine Sekunde länger zu überstehen. Doch eines Tages kam sie, die Kapitulation. Das war, als seine aktuelle Zwei-Stunden-Schlaf-Phase in die dritte Woche ging und er zum ersten Mal seit vielen Jahren drohte, komplett die Kontrolle zu verlieren.
    Jedes Geräusch war bereits zu viel. Sprach man ihn an, glaubte er, zu explodieren. Ihm war, als befände sich in seinem Kopf ein Lautsprecher, der jeden Ton, jedes verhaltene Räuspern, das Ticken einer Uhr, den Summton seines Telefons, die Stimme seiner Sekretärin, selbst seine Gedanken um ein Tausendfaches verstärkte.
    In der Vorstandssitzung drohte er, den erstbesten Arsch, der auf seine eher obligatorische Frage:
    „Gibt es noch irgendwelche Fragen?“, tatsächlich etwas zu melden hatte, am Kragen zu nehmen und durch das geschlossene Fenster nach unten zu befördern.
    Sie befanden sich im fünfundzwanzigsten Stockwerk, die Sauerei wäre mit Sicherheit beachtlich gewesen.
    Er drohte, absolut die Fassung zu verlieren. Da dies noch nie geschehen war, konnte er nicht sicher sein, was dies im Einzelnen bedeutete.
    Auf jeden Fall wahrte er dann garantiert nicht mehr die Fassade. Die Leute würden auf ihn aufmerksam werden. Sie würden ihn beobachten, heimlich über ihn tuscheln, sich Gedanken machen, Schlussfolgerungen ziehen. Und nicht nur, weil sie ihn gern so schnell wie möglich von seinem Vorstandschefsessel werfen wollten.
    Er war verhasst, das wusste er und er fühlte sich wohl dabei.
    Solange er sich nichts Nachweisbares zuschulden kommen ließ, war das die beste Methode, die Leute auf Spur zu halten. Versagte er jedoch, war er geliefert. Es bedurfte nicht viel, um alles zu verlieren, was er sich in Jahren harter Arbeit geschaffen hatte.
    Attestierter Wahnsinn gehörte mit Sicherheit dazu.
    Nach drei Wochen war Andrew am Ende. Körperlich, seelisch ohnehin.
    Es existierten zwei – nun, drei – Menschen in seinem Leben, denen er ein gewisses Vertrauen entgegenbrachte. Soviel, dass er ihnen zumindest rudimentär Einblicke in sein Leben gewährte. Dabei handelte es sich im Einzelnen um seine Sekretärin: Gail, seinen Chauffeur: Frank Johnson und seinen Sicherheitschef: Max Finch.
    Letzterer war ein Mann mit äußerst vielen, sehr hilfreichen Talenten und Beziehungen. Jede von ihnen hatte Andrew bereits mehrfach zu Rate gezogen, wenn er mit orthodoxen Methoden nicht mehr weiterkam. Und genau zu ihm ging er, als er sicher war, keinen weiteren Tag zu überstehen, ohne eine Katastrophe sondergleichen auszulösen. Wie die im Einzelnen aussah, war im Grunde egal, jede Abweichung vom Tagesablauf stellte für Andrew eine Katastrophe dar. Besonders in seinem
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