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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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und blieb in jedem Zimmer stehen, nahm in sich auf, was dort war, mit einem tiefen Sehen, das jeden Funken Energie in Strahlen und Wellen festhielt.
    Die Kunstwerke an den Wänden waren vor allem geometrische Farbfelder, große Bilder, die die Räume dominierten. Das Atrium mit Skylight wurde von hohen, weißen Gemälden und einem plätschernden Brunnen in gebetshafte Ruhe gehüllt. Im Atrium herrschte die Spannung und Anspannung eines turmhohen Raums, der fromme Stille erfordert, um angemessen gesehen und erlebt zu werden, wie eine Moschee, leise Schritte und in der Kuppel murmelnde Felsentauben.
    Er mochte Gemälde, die seine Gäste nicht anzuschauen wussten. Vielen erschlossen sich die weißen Bilder nicht, schleimfarbene, mit dem Messer verspachtelte Flatschen. Besonders gefährlich, da es keine neuen Werke waren. Im Neuen liegt keine Gefahr mehr.
    Er fuhr mit dem Fahrstuhl, in dem Satie erklang, in die Marmoreingangshalle. Seine Prostata war asymmetrisch. Er ging nach draußen und überquerte die Avenue, dann drehte er sich um und betrachtete das Gebäude, in dem er wohnte. Er empfand Übereinstimmung. Es war neunundachtzig Stockwerke hoch, eine Primzahl, hinter einer unauffälligen Oberfläche aus rauchigem bronzefarbenen Glas. Sie hatten eine Kante oder Grenze gemeinsam, Wolkenkratzer und Mann. Das Haus war dreihundert Meter hoch, der höchste Wohnturm der Welt, ein länglicher Gemeinplatz, dessen einzige Aussage in seinem Format bestand. Der Wolkenkratzer hatte die Art von Banalität, die sich mit der Zeit als wahrhaft brutal herausstellt. Aus diesem Grund mochte er ihn. Er mochte es, dazustehen und ihn anzuschauen, wenn er in dieser Stimmung war, argwöhnisch, benommen und belanglos.
    Der Wind wehte schneidend vom Fluss her. Er holte seinen Palm Organizer heraus und piekte sich eine Notiz über das Anachronistische des Wortes Wolkenkratzer hinein. Kein jüngeres Gebäude sollte mit diesem Wort bezeichnet werden. Es gehörte zu dem althergebrachten Geist der Ehrfurcht, zu den pfeilförmigen Türmen, die eine Erzählung waren, lange bevor er auf die Welt gekommen war.
    Auch der Handcomputer war ein Gegenstand, dessen Ursprungskultur so gut wie verschwunden war. Er wusste, er würde ihn ausrangieren müssen.
    Der Turm gab ihm Stärke und Tiefe. Er wusste, was er wollte, sich die Haare schneiden lassen, aber er stand noch etwas länger in dem aufsteigenden Lärm der Straße und musterte Masse und Ausmaß des Turms. Der große Vorteil von dessen Oberfläche bestand darin, das Flusslicht aufzufangen und umzuleiten und die Gezeiten des offenen Himmels nachzuahmen. Eine Aura von Stofflichkeit und Reflexion. Er ließ den Blick der Länge nach daran entlanggleiten und fühlte sich mit dem Turm verbunden, sie hatten die Oberfläche und die Umgebung, die an beiden Seiten in Berührung mit der Oberfläche kam, gemeinsam. Eine Oberfläche trennt Innen von Außen und gehört ebenso zum einen wie zum anderen. Unter der Dusche hatte er sich einmal Gedanken über Oberflächen gemacht.
    Er setzte seine Sonnenbrille auf. Dann kehrte er über die Avenue zurück und näherte sich den Wagenschlangen aus weißen Limousinen. Da standen zehn Wagen, fünf in einer Reihe am Rinnstein, vor dem Turm in der First Avenue, und fünf in der Querstraße Richtung Westen. Auf den ersten Blick sahen die Autos identisch aus. Vielleicht waren einige dreißig oder fünfzig Zentimeter länger als andere, was von Details der jeweiligen Verlängerung und den Extras, die der Besitzer verlangt hatte, abhing.
    Die Fahrer rauchten und plauderten auf dem Bürgersteig, in dunklen Anzügen und barhäuptig, alle auf dem Sprung, doch das würde man erst rückblickend merken, wenn sie heiße Augen kriegten, ihre Zigaretten wegwarfen und ihre uneingeübten Haltungen verließen, nämlich sobald sie die Objekte ihrer Aufmerksamkeit erspähten.
    Doch vorläufig plauderten sie, Stimmen mit Akzent bei einigen, Muttersprachlertöne bei anderen, und sie warteten auf den Investmentbanker, den Baulöwen, den Venturekapitalisten, den Software-Unternehmer, den globalen Obermufti von Satellit und Kabel, den Diskontmakler, den hakennasigen Medienboss, den exilierten Staatschef irgendeiner zermalmten Landschaft aus Hunger und Krieg.
    In dem Park auf der anderen Straßenseite standen stilisierte schmiedeeiserne Lauben und Bronzespringbrunnen, auf deren Grund ein Streufeuer aus schillernden Pennymünzen. Ein Mann in Frauenkleidern ging mit sieben eleganten Hunden Gassi.
    Ihm
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