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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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evolutionärer Vorsprung, für den ein tatsächliches Mapping des Nervensystems auf digitale Speicher erforderlich ist. Das würde der Master-Schub des Cyberkapitals werden, um die menschliche Erfahrung in Richtung Unendlichkeit zu erweitern und für Firmenwachstum und Investition, für die Anhäufung von Profiten und die energische Reinvestition zu nutzen.
    Aber sein Schmerz mischte sich störend in seine Unsterblichkeit ein. Er erst machte ihn unverwechselbar, war zu grundlegend, um ignoriert zu werden, und nicht geeignet für Computeremulation, glaubte Eric jedenfalls. Die Dinge, die ihn zu dem machten, was er war, konnten wohl kaum identifiziert, geschweige denn in Daten konvertiert werden, die Dinge, die in seinem Körper lebten und wimmelten, überall, willkürlich, rebellisch, Billionen von Trillionen in den Neuronen und Peptiden, der pochenden Schläfenader, dem Schwenk seines libidinösen Intellekts. So viel war gekommen und gegangen, und all das war er, Eric, der verlorene Geschmack von Milch, geleckt von der Brust seiner Mutter, das Zeug, das er beim Niesen rausniest, das ist er, und auch, wie ein Mensch zu dem Spiegelbild wird, das er im Vorbeikommen in einem staubigen Fenster sieht. Durch seinen Schmerz hatte er sich erkannt, unübersetzbar. Jetzt war er so müde. Sein hart erkämpfter Zugriff auf die Welt, auf materielle Dinge, großartige Dinge, seine wahren und falschen Erinnerungen, das vage Unwohlsein wintrigen Zwielichts, unübertragbar, die blassen Nächte, wenn seine Identität aus Schlafmangel verflacht, die kleine Warze auf seinem Oberschenkel, die er jedes Mal beim Duschen betastet, alles er, und wie das konkave Stück Seife, das er benutzt, riecht und sich anfühlt, das macht ihn zu dem, der er ist, weil er die Duftnote ausspricht, Amandine, und die Gestalt seines Schwanzes, unübertragbar, und sein seltsam schmerzendes Knie, das Knacken in seinem Knie, wenn er es beugt, alles er, und noch so vieles, das sich nicht in irgendetwas Hocherhabenes konvertieren lässt, Technologie von Geist-ohne-Ziel.
    Er sah an die hintere Wand, die weiß war. Das Insekt lief immer noch über den Draht. Er betrachtete das Insekt, das an dem baumelnden Draht herunterkam. Dann nahm er seine unverletzte Hand von dem Uhrglas. Er schaute auf die Uhr. Die Aufschrift blieb auf dem Display, unbekannt. Eine Spur Enzym war noch übrig, die alte Biochemie des Egos, sein gesättigtes Ich. Er stellte sich Kendra Hays vor, seine Leibwächterin und Liebhaberin, die bei einer Einbalsamierungszeremonie seine Gedärme in Palmwein wusch. Sie hatte das Gesicht dafür, den Knochenbau und die Hautfarbe, die spitz zulaufenden Flächen. Es war ein Gesicht von einer Wandmalerei in einem Totentempel, viertausend Jahre unter Sand begraben, mit einem Gefolge hundeköpfiger Götter.
    Er dachte an seine Finanzchefin und berührungsfreie Liebhaberin Jane Melman, wie sie stumm in einem dunkelblauen Kleid mit gegürteter Taille in der letzten Reihe der Grabkapelle saß und onanierte, die ganze wisperig-dämmerige Totenwache lang.
    Und noch etwas war zu bedenken, nämlich dass er geheiratet hatte, als er geheiratet hatte, um eine Witwe hinterlassen zu können. Er stellte sich seine Frau vor, seine Witwe, die sich vielleicht als Reaktion auf seinen Tod den Kopf rasierte und beschloss, ein Jahr lang Schwarz zu tragen, und die Beerdigung auf abgelegenem Wüstengelände von Weitem betrachtete, zusammen mit ihrer Mutter und den Medien.
    Er wollte in seinem Atombomber begraben werden, seinem Blackjack A. Nicht begraben, sondern eingeäschert, abgefackelt, aber auch begraben. Er wollte unter Sonnenenergie zerfallen. Er wollte, dass das Flugzeug per Fernbedienung geflogen wurde, mit seiner einbalsamierten Leiche an Bord, in Anzug, Krawatte und Turban, und mit den Leichen seiner Hunde, seiner großen seidigen russischen Wolfshunde, wollte, dass es die Maximalhöhe erreichte und mit supersonischer Blitzgeschwindigkeit weiterflog und dann kopfüber in den Sand gerammt wurde, ein einziger großer Feuerball, der ein Landkunstwerk hinterlassen würde, versengte Erdkunst, in Wechselwirkung mit der Wüste und auf ewig treuhänderisch verwaltet unter der Schirmherrschaft seiner Kunsthändlerin und Testamentsvollstreckerin Didi Fancher, seiner langjährigen Geliebten, und zur ehrfürchtigen Betrachtung von zuvor ausgewählten Gruppen und erleuchteten Einzelreisenden im Status der Einkommensteuerbefreiung Abschnitt 501(c)(3) des US – Steuergesetzes.
    Was hat der
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