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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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Irrtum.«
    »Weshalb dann?«
    »Weil ich stinke. Riechen Sie mal.«
    »Riechen Sie mal«, sagte Eric. Das Subjekt dachte darüber nach.
    »Selbst wenn man sich selbst zerstört, will man mehr scheitern, mehr verlieren, mehr sterben als andere, mehr stinken als andere. Bei den alten Stämmen war der Häuptling am mächtigsten, der am meisten von seinem Besitz zerstörte.«
    »Was noch?«
    »Sie haben alles, wofür man leben und sterben kann. Ich habe nichts, weder zum Leben noch zum Sterben. Noch ein Grund, Sie umzubringen.«
    »Richard. Hören Sie zu.«
    »Ich will als Benno bekannt sein.«
    »Sie sind unsicher, weil Sie meinen, Sie hätten keine Rolle, keinen Platz. Aber Sie müssen sich fragen, wessen Schuld das ist. Denn tatsächlich hat Ihnen diese Gesellschaft sehr wenig Hassenswertes zu bieten.«
    Das brachte Benno zum Lachen. Seine Augen bekamen etwas Irres, und er sah sich um, schüttelte sich vor Lachen. Das Gelächter war freudlos und verstörend, und das Schütteln nahm zu. Er musste die Waffe auf dem Tisch ablegen, um ungehindert lachen und sich schütteln zu können.
    Eric sagte: »Los, nachdenken.«
    »Los, nachdenken.«
    »Gewalt braucht einen Grund, eine Wahrheit.«
    Er dachte an den Bodyguard mit dem Narbengesicht, dem Auftreten eines Nahkämpfers und dem harten, gedrungenen slawischen Namen, Danko, der in Kriegen voller Ahnenblut gekämpft hatte. Er dachte an den Sikh mit dem fehlenden Finger, den Fahrer, als er mit Elise im Taxi gesessen hatte, kurz, früher am Tag, früher im Leben, zu einer Zeit, die fast schon jenseits der Erinnerung lag. Er dachte an Ibrahim Hamadou, seinen eigenen Fahrer, ein Folteropfer von Politik oder Religion oder irgendeinem Clanhass, von einer tief sitzenden Gewalt, die die Geister der Ahnen seiner Feinde immer wieder anstachelten. Er dachte sogar an André Petrescu, den Tortenattentäter, jahrelang Torten werfen und Schläge dafür einstecken.
    Schließlich dachte er an den brennenden Mann und stellte sich vor, dass er wieder auf dem Times Square stand und den Körper in Flammen beobachtete oder im Körper war, der Körper war und durch Gas und Flammen hinausschaute.
    »Es gibt auf der Welt nichts als andere Leute«, sagte Benno.
    Er hatte Schwierigkeiten zu sprechen. Die Worte knallten aus seinem Gesicht hervor, nicht laut, sondern eher impulsiv, unter Stress herausplatzend.
    »Ich hatte eines Tages so einen Gedanken. Es war der Gedanke an mein Leben. Ich bin von anderen Menschen umgeben. Nichts als Kaufen und Verkaufen. Nichts als Man-sieht-sich. Ich dachte, guck dir die mal an und guck dir dich mal an. Auf der Straße scheint das Licht durch mich hindurch. Ich bin, wie heißt das, durchlässig für sichtbares Licht.«
    Er breitete die Arme weit aus.
    »Ich dachte, all diese anderen Menschen. Ich dachte, wie sind die zu dem geworden, was sie sind. Nichts als Banken und Parkplätze. Nichts als Flugtickets in den Computern. Nichts als Restaurants voller redender Leute. Nichts als Leute, die den Buchungsbeleg unterschreiben. Nichts als Leute, die den Buchungsbeleg aus dem Ledermäppchen nehmen und unterschreiben und dann den Buchungsbeleg von dem Kundenbeleg trennen und ihre Kreditkarte in die Brieftasche stecken. Das allein würde schon reichen. Nichts als Leute mit Ärzten, die alles ins Labor geben. Das allein«, sagte er. »In diesem System, das mir unsinnig erscheint, bin ich hilflos. Sie, Sie wollten, dass ich ein hilfloser Robotersoldat werde, aber mehr als hilflos habe ich nicht geschafft.«
    Eric sagte: »Nein.«
    »Nichts als Damenschuhe. Nichts als all die Namen, die sie für Schuhe haben. Nichts als Leute im Park hinter der Bibliothek, die sich in der Sonne unterhalten.«
    »Nein. Ihr Verbrechen hat kein Gewissen. Sie sind nicht von irgendeiner unterdrückerischen gesellschaftlichen Kraft dazu getrieben worden. Wie ich es hasse, vernünftig zu sein. Sie sind nicht gegen die Reichen. Keiner ist gegen die Reichen. Alle sind zehn Sekunden davon entfernt, reich zu sein. Dachten alle jedenfalls. Nein. Ihr Verbrechen ist in Ihrem Kopf. Noch so ein Narr, der ein Lokal zusammenballert, weil weil.«
    Er betrachtete die MK – 23, die auf dem Tisch lag.
    »Kugeln, die durch die Wände und den Boden fliegen. So nutzlos und dumm«, sagte er. »Selbst Ihre Waffe ist eine Fantasie. Wie heißt sie?«
    Das Subjekt schaute verletzt und verraten drein.
    »Was ist dieses Ding neben dem Abzugsbügel? Wie heißt das? Was macht es?«
    »Na schön. Ich bin nicht so männlich, dass
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