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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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den Knien, mit beiden Händen umklammert. Die Haltung war geduldig und konzentriert.
    »Der Yen. Ich habe den Yen nicht durchschaut.«
    »Der Yen.«
    »Der Yen stellte sich für mich nicht dar.«
    »Also haben Sie alles niedergerissen.«
    »Der Yen hat sich mir entzogen. Das war noch nie passiert.
    Ich wurde halbherzig.«
    »Das liegt daran, dass Sie nur ein halbes Herz haben. Geben Sie mir eine Zigarette.«
    »Ich rauche keine Zigaretten.«
    »Der riesige Ehrgeiz. Die Verachtung. Ich kann die Dinge aufzählen. Ich kann die Gelüste benennen, die Leute. Ein paar schlecht behandeln, ein paar ignorieren, andere verfolgen. Ich über alles. Der Mangel an Reue. Das sind Ihre Begabungen, das haben Sie«, schloss er traurig, ohne Ironie.
    »Was noch?«
    »Ein komisches Gefühl in den Knochen.«
    »Was?«
    »Sagen Sie’s mir, wenn ich mich irre.«
    »Was?«
    »Vorahnung eines frühen Todes.«
    »Was noch?«
    »Was noch. Geheime Zweifel. Zweifel, die Sie nie zugeben könnten.«
    »Sie wissen einiges.«
    »Ich weiß, Sie rauchen Zigarren. Ich weiß alles, was je über Sie gesagt oder geschrieben wurde. Ich weiß, was ich in Ihrem Gesicht sehe, nach jahrelanger Beobachtung.«
    »Sie haben für mich gearbeitet. Als was?«
    »Währungsanalyst. Ich habe mit dem Baht gearbeitet.«
    »Der Baht ist interessant.«
    »Ich habe den Baht geliebt. Aber mit dem Mikrotiming Ihres Systems konnte ich nicht Schritt halten. Ich konnte es nicht wahrnehmen. So infinitesimal ist es. Ich fing an, meine Arbeit zu hassen und Sie und all die Zahlen auf meinem Bildschirm und jede Minute meines Lebens.«
    »Hundert Satang sind ein Baht. Wie heißen Sie wirklich?«
    »Das würde Ihnen nichts sagen.«
    »Verraten Sie mir Ihren Namen.«
    Er lehnte sich zurück und schaute weg. Seinen Namen zu verraten, das erschien ihm wie eine entscheidende Niederlage, ein tiefinneres Scheitern von Charakter und Willenskraft, aber auch so unvermeidlich, dass es keinen Zweck hatte zu widerstehen.
    »Sheets. Richard Sheets.«
    »Sagt mir nichts.«
    Er sagte Richard Sheets diese Worte ins Gesicht. Sagt mir nichts. Er empfand einen Hauch von dem alten, schalen Vergnügen, eine beiläufige Bemerkung fallen zu lassen, damit sich jemand wertlos fühlte. Eine Kleinigkeit, absolut zu vernachlässigen, und sie ruft eine solche Irritation hervor.
    »Sagen Sie mal. Sie stellen sich wohl vor, ich hätte Ihnen Ideen gestohlen? Geistigen Besitz.«
    »Was stellt man sich schon vor? Hundert Dinge in der Minute. Etwas ist real für mich, ob ich es mir vorstelle oder nicht. Wenn ich Syndrome habe, dann sind sie real, aus Malaysia zum Beispiel. Die Dinge, die ich mir vorstelle, werden zu Tatsachen. Zeitlich und räumlich sind sie Tatsachen.«
    »Sie zwingen mich dazu, vernünftig zu sein. Das mag ich nicht.«
    »Ich habe schlimme Ängste, dass sich mein Geschlechtsorgan in meinen Körper zurückzieht.«
    »Aber das tut es nicht.«
    »Dass es in meinen Unterleib schrumpft.«
    »Aber das tut es nicht.«
    »Egal ob es das tut oder nicht, ich weiß, dass es so ist.«
    »Zeigen Sie mal.«
    »Ich muss nicht hinschauen. Es gibt Volksglauben. Es gibt Epidemien, die geschehen. Tausende von Männern mit echten Ängsten und Schmerzen.«
    Er schloss die Augen und gab einen Schuss in die Dielen zwischen seinen Füßen ab. Er machte die Augen erst wieder auf, als der Widerhall nicht mehr im Raum vibrierte.
    »In Ordnung. Leute wie Sie können vorkommen. Das verstehe ich. Das glaube ich. Aber nicht die Gewalt. Nicht die Waffe. Die Waffe ist ganz falsch. Sie sind kein gewalttätiger Mann. Gewalt ist dazu bestimmt, wirklich zu sein, und basiert auf wirklichen Beweggründen, auf Kräften in der Welt, die was. Die uns dazu bringen, uns verteidigen zu wollen oder zum Angriff überzugehen. Das Verbrechen, das Sie begehen wollen, ist eine billige Imitation. Eine schale Fantasie. Die Leute tun das, weil es andere Leute auch tun. Es ist noch so ein Syndrom, etwas, das Sie sich bei anderen geholt haben. Es hat keine Geschichte.«
    »Es besteht nur aus Geschichte.« Er sagte: »Die ganze Sache ist Geschichte. Sie sind widerlich und unkontrolliert reich. Erzählen Sie mir nichts von Spenden für wohltätige Zwecke.«
    »Ich spende nichts.«
    »Das weiß ich.«
    »Sie sind nicht neidisch auf die Reichen. Das ist nicht Ihre Sicht der Dinge.«
    »Wie ist sie denn dann?«
    »Konfus. Deshalb sind Sie nicht einstellbar.«
    »Warum?«
    »Weil Sie Menschen umbringen wollen.«
    »Und deshalb soll ich nicht einstellbar sein?
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