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0958 - Die Kinder des El Rojo

0958 - Die Kinder des El Rojo

Titel: 0958 - Die Kinder des El Rojo
Autoren: Volker Krämer
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Artimus van Zant schreckte aus dem Halbschlummer hoch.
    Der Klang, der ihn da geweckt hatte, stammte von seinem besten Freund - der allerdings auch seit über drei Wochen sein einziger Freund war.
    Alle anderen waren weit weg und wussten nicht, in welcher misslichen Lage der Physiker sich befand. Dennoch konnte sich van Zant ein Grinsen nicht verkneifen - all diese Freunde liefen auf zwei Beinen, doch der kleine Jimi, der es sich gerade auf van Zants Bauch bequem machte, bildete da die große Ausnahme. Ratten auf zwei Beinen gab es auch zuhauf. Artimus kannte einige davon leider viel zu gut, doch sein kleiner Kumpel hier nutzte alle vier.
    Jimi, wie van Zant ihn getauft hatte, war pechschwarz, hatte kluge Knopfaugen und ein winziges Haarbüschel auf dem Kopf, das er sich nun genießerisch von seinem großen Freund kraulen ließ. Dabei stieß er piepsige Töne aus, die so schrill klangen, dass sie Artimus an das Wimmern einer Fender Stratocaster erinnerten. Ja, ein wenig klang das nach Hendrix in seinen besten Tagen. Also war klar, dass die Ratte Jimi Hendrix getauft werden musste.
    Van Zant wusste natürlich ganz genau, warum der Nager so freundlich zu ihm war. Jeden Tag verwahrte er einen gewissen Anteil von dem, was man hier fälschlicherweise als »Essen« bezeichnete, für Jimi. Gedankenverloren beobachtete der Physiker die Ratte, die sich über den Brei hermachte.
    Wie war er nur in dieses stinkende Loch geraten?
    Artimus van Zant hatte den Ausstieg aus seinem bisherigen Leben gewagt. Die Physik, sein fabelhaft bezahlter Job bei Tendyke Industries , seine Berufung im Zamorra-Team - und natürlich no tears , die Organisation zur Hilfe für traumatisierte Kinder. Alles hatte er hinter sich gelassen, sogar seine Partnerin Rola diBurn, die aus eigener Entscheidung in den Staaten geblieben war.
    Van Zants Ziel war es, irgendwo eine Hilfsorganisation für Kinder aufzubauen oder eine bereits bestehende mit seiner Tatkraft zu unterstützen. Sein erster Weg hatte ihn nach Algier geführt, doch dort war er auf eine Mauer der Ablehnung gestoßen, die er nicht durchbrechen konnte.
    Artimus' alter Freund O'Hara hatte also leichtes Spiel gehabt, als er den Südstaatler mit den Problemen der Kinder in Kolumbien vertraut gemacht hatte. Dort spannten die Drogenkartelle die Kleinen als Dealer und Drogenkuriere ein, hielten sie wie Sklaven und machten sie mit Rauschgift gefügig. Diese Schilderung hatte mehr als nur ausgereicht, um Artimus zu ködern.
    In Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens angekommen, hatte van Zant lange warten müssen, ehe sich die von O'Hara zugesagte Kontaktperson bei ihm meldete. Es hatte sich um eine junge Mexikanerin mit dem Namen Alita Tirado gehandelt, deren Aussehen Artimus mehr als nur verblüfft hatte. Sie hatte eine großartige Figur, war muskulös und konnte mit Waffen umgehen, sicher, doch das war es nicht gewesen. Alita ähnelte der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Kultmalerin gewordenen Frida Kahlo aufs Haar. Van Zant hatte die Augen kaum noch von ihr lassen können, da er sich selbst als großer Kahlo-Fan bezeichnete.
    Doch das war in den Hintergrund getreten als Alita mit ihm ins Umland gefahren war, in Richtung Amazonien. Dort lag direkt vor einem schmalen Dschungelgürtel ein großes Anwesen, dass dem Drogenkartell Rojo gehörte. Der Chef dieses Kartells war niemand anderes als ein Vampir, der sich mit seinem Clan in den lukrativen Drogenhandel eingeklinkt hatte. Die Kinder, die hier als Dealer und Kuriere ausgebildet wurden, lebten in Todesangst.
    Rojo wurde von Vampiren geleitet!
    Der Clanchef nannte sich El Rojo und hatte sich eine subtile Methode ausgedacht, mit der er die Kinder in Angst und Schrecken hielt. Hinter dem Anwesen lag der schmale Dschungelstreifen, der schließlich in offenes und karges Land überging. Kinder, die den Anforderungen nicht gerecht wurden oder es gar gewagt hatten einen Fluchtversuch zu unternehmen, mussten eine Nacht in diesem Dschungel verbringen. Man sprach nur flüsternd über diesen Wald - den blutigen Dschungel des El Rojo .
    Artimus und Alita waren einem Trupp von fünf Kindern gefolgt, die dort die schrecklichste Nacht ihres Lebens verbringen sollten. Bald schon hatte Artimus verstanden, was das Grauen dieses Waldes ausmachte.
    In den Schlingpflanzen, die sich um die Baumriesen wanden, hingen Leichen. Kopfüber. Vollkommen ausgeblutet. Und sie starrten die Kinder mit ihren toten Augen an, eine ganze Nacht lang. Entsetzt hatte van Zant dort
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