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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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verwandelst sie in etwas Grandioses und Grässliches. Du bist ein gefährlicher Mensch. Stimmt’s? Ein Visionär.«
    Er beobachtete, wie Torval eine Hand auf die Seite des Kopfes legte und demjenigen zuhörte, der in seinen Ohrknopf sprach. Er wusste, diese Apparaturen waren nur noch Relikte. Degenerierte Strukturen. Die Handfeuerwaffe vielleicht gerade noch nicht. Aber das Wort verlor sich schon in Nebelschwaden.
    Er stand beim falsch geparkten Auto und hörte Torval zu.
    »Bericht vom Komplex. Es gibt eine glaubwürdige Drohung. Sollte man nicht unterschätzen. Das heißt, einmal quer durch die Stadt.«
    »Wir haben schon zahlreiche Drohungen gehabt. Alle glaubwürdig. Ich stehe immer noch hier.«
    »Keine Bedrohung Ihrer Sicherheit. Seiner.«
    »Wer zum Teufel ist ›seiner‹?«
    »Der Präsident. Das heißt, einmal quer durch die Stadt geht nicht, es sei denn, wir hängen den ganzen Tag dran, mit Keksen und Milch.«
    Er empfand Torvals stämmige Gestalt als Provokation. Torval war knotig und voller Schrägen. Er hatte den Körper eines schweren Gewichthebers, als wäre er aufrecht und in der Hocke zugleich. Sein Auftreten hatte die plumpe Überzeugungskraft und redliche Wachsamkeit, mit der untersetzte Männer eine Aufgabe angehen. Das waren feindselige Impulse. Sie weckten Erics Sinn für seine eigene körperliche Autorität, seine Vorstellungen von Stärke und Muskelkraft.
    »Schießt denn noch irgendwer auf Präsidenten? Ich dachte, es gäbe inzwischen anregendere Ziele«, sagte er.
    Sein Sicherheitspersonal sollte über ein ausgeglichenes Temperament verfügen. Torval passte nicht ins Muster. Mal war er ironisch, dann wieder leicht verächtlich, bei bestimmten Standardmaßnahmen. Und dann sein Kopf. Sein rasierter Kopf und die anomale Stellung seiner Augen zeugten von unablässiger Wut. Seine Aufgabe war selektives Konfrontationsverhalten, nicht Hass auf eine gesichtslose Welt.
    Ihm war aufgefallen, dass Torval ihn nicht mehr mit Mr Packer anredete. Er redete ihn jetzt gar nicht mehr an. Durch diese Auslassung entstand eine Lücke in der Natur, groß genug, dass ein Mann hindurchgehen konnte.
    Er merkte, dass Elise weg war. Er hatte vergessen, sie zu fragen, wo sie hinwollte.
    »Im nächsten Block gibt es zwei Frisiersalons. Eins, zwei«, sagte Torval. »Wir brauchen nicht quer durch die Stadt. Die Situation ist nicht stabil.«
    Leute hasteten vorbei, die anderen der Straße, endlos anonym, einundzwanzig Leben pro Sekunde, um die Wette laufende Gesichter und Pigmente, Sprühregen aus flüchtigstem Dasein.
    Sie waren da, um deutlich zu machen, dass man sie nicht anzuschauen brauchte.
    Jetzt saß Michael Chin auf dem Klappsitz, sein Währungsanalyst, und stellte gemächlich eine beträchtliche Beunruhigung zur Schau.
    »Ich kenne dieses Lächeln, Michael.«
    »Ich glaube, der Yen. Ich meine, wir haben Grund zur Annahme, dass wir hier vielleicht allzu überstürzt leveragen.«
    »Das Blatt wird sich zu unseren Gunsten wenden.«
    »Ja. Ich weiß. Hat es immer getan.«
    »Die Überstürztheit, die Sie da zu sehen glauben.«
    »Was hier geschieht, stellt sich nicht dar.«
    »Es stellt sich dar. Sie müssen nur etwas hartnäckiger suchen. Verlassen Sie sich nicht auf die Standardmodelle. Denken Sie grenzüberschreitend. Der Yen sagt uns etwas. Lesen Sie es. Und dann springen Sie.«
    »Wir setzen hier im großen Stil.«
    »Ich kenne dieses Lächeln. Ich möchte es gern respektieren. Aber der Yen kann nicht noch höher steigen.«
    »Wir leihen uns gigantische Summen, gigantische.«
    »Jeder Angriff auf die Grenzen der Wahrnehmung sieht zwangsläufig zunächst nach Überstürztheit aus.«
    »Eric, kommen Sie. Wir spekulieren ins Leere.«
    »Ihre Mutter hat Ihrem Vater die Schuld an dem Lächeln gegeben. Und er ihr. Es hat etwas Tödliches.«
    »Ich glaube, wir sollten nachregulieren.«
    »Sie glaubte, sie müsste Sie zu einer besonderen Beratung schicken.«
    Chin hatte Studienabschlüsse in Mathematik und Wirtschaft und war doch immer noch ein Junge mit einem Gossenpunkstreifen im Haar, in launischem Rote-Bete-Rot.
    Die beiden Männer redeten und trafen Entscheidungen. Es waren Erics Entscheidungen, die Chin widerstrebend in seinen Palm Organizer eingab und dann mit dem System abstimmte. Das Auto fuhr. Eric betrachtete sich auf dem ovalen Bildschirm unterhalb der SpyCam, strich sich mit dem Daumen über die Kinnlinie. Das Auto hielt an und fuhr weiter, und er bemerkte, dass er, wie eigentümlich, gerade den Daumen
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