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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis
Autoren: Don DeLillo
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Lobelien, die Buntnessel, der Christusdorn mit seinen gefiederten Blättern und ungeplatzten Schoten. Er konnte sich an den lateinischen Namen des Baums nicht genau erinnern, wusste aber, er würde ihm in der nächsten Stunde einfallen, oder irgendwann tief in der fortdauernden Flaute der nächsten schlaflosen Nacht.
    Er ging unter einem Kreuzgewölbebogen aus weißem Gitterwerk hindurch, das mit Kletterhortensien bepflanzt war, und betrat dann das eigentliche Gebäude.
    Eine Minute später stand er in ihrer Wohnung.
    Sie legte eine Hand auf seine Brust, bewusst dramatisch, um festzuhalten, dass er da war und real. Dann fingen sie an zu taumeln und sich zu umklammern, und sie arbeiteten sich zum Schlafzimmer vor. Rammten den Türpfosten und prallten zurück. Einer ihrer Schuhe löste sich, baumelte halb herab, aber sie konnte ihn nicht abschütteln, und er musste ihn wegtreten. Er presste sie gegen die Wandmalerei, ein minimalistisches Raster, das zwei Helfer des Künstlers mehrere Wochen lang mit Maßinstrumenten und Grafitstiften ausgeführt hatten.
    Sie zogen sich erst richtig aus, als der Liebesakt gelaufen war.
    »Hatten wir eine Verabredung?«
    »War gerade in der Nähe.«
    Sie standen auf den gegenüberliegenden Seiten des Bettes, bückten und beugten sich, um letzte Kleidungsstücke loszuwerden.
    »Und dachtest, schaust mal rein, wie? Nett. Ich freu mich. Ist schon was her. Ich hab natürlich davon gelesen.«
    Sie lag jetzt auf dem Bauch, Kopf auf dem Kissen zu ihm gewandt, und beobachtete ihn.
    »Oder hab ich es im Fernsehen gesehen?«
    »Was?«
    »Was? Die Hochzeit. Komisch, dass du mir nichts davon erzählt hast.«
    »So komisch nun auch nicht.«
    »So komisch nun auch nicht. Zwei große Vermögen«, sagte sie. »Wie eine der großen arrangierten Ehen im alten Europa der Kaiserreiche.«
    »Abgesehen davon, dass ich ein Weltbürger bin, mit zwei New Yorker Eiern.«
    Und hob seine Geschlechtsteile mit der Hand an. Dann legte er sich aufs Bett, auf den Rücken, und starrte in eine bemalte Papierlampe, die von der Decke hing.
    »Wie viele Milliarden stellt ihr beide zusammen dar?«
    »Sie ist Dichterin.«
    »Ach, das ist sie? Ich dachte, sie wäre eine Shifrin.«
    »Ein bisschen von beidem.«
    »So reich und knusprig. Lässt sie dich ihren Intimbereich berühren?«
    »Du siehst heute atemberaubend aus.«
    »Für eine Frau, die siebenundvierzig ist und endlich begriffen hat, was ihr Problem ist.«
    »Nämlich?«
    »Das Leben ist zu zeitgenössisch. Wie alt ist deine Gemahlin? Egal. Will ich gar nicht wissen. Sag mir, ich soll den Mund halten. Aber erst noch eine Frage. Ist sie gut im Bett?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Das ist der Ärger mit altem Geld«, sagte sie. »Und jetzt sag mir, ich soll den Mund halten.«
    Er legte ihr eine Hand auf den Hintern. Sie lagen eine Weile schweigend da. Sie war eine ausgebleichte Blondine namens Didi Fancher.
    »Ich weiß etwas, das du wissen willst.«
    Er sagte: »Was?«
    »Es gibt einen Rothko in Privatbesitz. Da hab ich Insiderwissen. Er ist demnächst zu haben.«
    »Du hast ihn gesehen.«
    »Vor drei oder vier Jahren. Ja. Und er leuchtet.«
    Er sagte: »Was ist mit der Kapelle?«
    »Was soll sein?«
    »Ich hab an die Kapelle gedacht.«
    »Du kannst doch die verdammte Kapelle nicht kaufen.«
    »Woher weißt du das? Setz dich mit den Kuratoren in Verbindung.«
    »Ich dachte, du freust dich über das Bild. Ein Bild. Du hast keinen bedeutenden Rothko. Du wolltest immer einen haben. Wir haben schon mal darüber gesprochen.«
    »Wie viele Bilder in seiner Kapelle?«
    »Ich weiß nicht. Vierzehn, fünfzehn.«
    »Wenn sie mir die Kapelle verkaufen, sorge ich dafür, dass sie unverändert bleibt. Sag ihnen das.«
    »Unverändert bleibt, wo?«
    »In meiner Wohnung. Ich habe genug Platz. Ich kann noch mehr Platz schaffen.«
    »Aber die Kapelle muss doch für die Öffentlichkeit zugänglich sein.«
    »Soll die Öffentlichkeit sie kaufen. Sollen sie mich doch überbieten.«
    »Entschuldige, wenn das pampig klingt. Aber die Rothko- Kapelle gehört der Welt.«
    »Wenn ich sie kaufe, gehört sie mir.«
    Sie griff nach hinten und schubste seine Hand von ihrem Arsch.
    Er sagte: »Wie viel wollen sie dafür haben?«
    »Sie wollen die Kapelle nicht verkaufen. Und ich will dich in punkto Selbstverleugnung und sozialer Verantwortung nicht belehren. Weil ich keine Sekunde lang glaube, dass du so rüde bist, wie du dich anhörst.«
    »Du würdest es schon glauben. Du würdest mein Denken
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