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Cosm

Cosm

Titel: Cosm
Autoren: Gregory Benford
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Drüben‹ oder man betreibt die Kunst des ›Rätsellösens‹, von dem der Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn 1962 in seinem Buch über ›Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen‹ gesprochen hat, man widmet sich eben Detailfragen, weil ein großer neuer Wurf naturwissenschaftlicher Erkenntnis fehlt.
    Der Physiker Benford bezieht sich hier sicher explizit auf Kuhn, für den ›normale‹ Wissenschaft eine Harmonisierungsbemühung hinsichtlich des Verhältnisses von Theorie und Fakten ist, die sperrige Fakten auf diese Weise in ›Schublade(n)‹ einordnet. Kuhn spricht provozierend vom ›puzzle-solving‹, dem ›Rätsellösen‹ und vergleicht die Tätigkeit der Normalwissenschaft weiter mit einem ›Geduldsspiel‹ bzw. einem ›Kreuzworträtsel‹.
    Normale Forschung ist also nicht bestrebt, Neuheiten hervorzubringen, sondern interessiert sich für die spezifische Art des Weges, wie erwartetes Naturverhalten erreicht werden kann. 43
    In diese alles Kreative und alle Aufbruchsstimmung tötende ›Normalität‹ ist – so das Romanszenario – die Physik an der Jahrtausendwende gefallen.
    Um noch Forschungsmittel zu bekommen, wird seitens amerikanischer Physiker ein publicityträchtiges Vorhaben durchgeführt. In der amerikanischen ›Aufmerksamkeitsgesellschaft‹ (Seite 217 f.) muß die Wissenschaft einen großen Erfolg und sei es auch nur ein Scheinerfolg vorweisen, um dann weiter finanziert zu werden.
    Dies geschieht im ›Brookhaven National Laboratory‹ auf Long Island, das zu einem ›Relativistic Heavy Ion Collider‹ gekommen ist, der Kollisionen zwischen Elementarteilchen herbeiführt. Da nämlich die Explosionen bei diesen Kollisionen von Elementarteilchen eine äußerliche Ähnlichkeit zu dem Zustand des Universums in der ersten Millionsten Sekunde nach dem Urknall aufweisen, verkauft man es der sensationslüsternen Aufmerksamkeitsgesellschaft als ›Mini Bang‹ (Seite 30).
    Es wird also am Beginn des neuen Jahrtausends ein wissenschaftlicher Aufbruch vor der Weltöffentlichkeit simuliert, um Forschungsgelder für kleinliches Rätsellösen im Bereich von Detailforschungen zu erschleichen.
    Der Jahrtausendaufbruch der Naturwissenschaften scheint zu einer kulturellen Lebenslüge zu werden.
    Doch gibt es die schwarze ›Alicia Butterworth‹ von der ›University of California‹ in ›Irvine‹. Sie ist eine unbedeutende Experimentalphysikerin ohne Lebenszeitprofessur. Menschlich vereinsamt hat sie sich in die Naturwissenschaften geflüchtet.
    An einer Stelle fragt sie sich einmal, wie es kam, »daß sie sich nun gerade dahin flüchtete, um einer Welt zu entkommen, die ihr unbegreiflich war?« (Seite 120).
    Gerade sie, die sich aus der Welt flüchtet und damit exemplarisch die Lebenslügen der Naturwissenschaften und des neuen Jahrtausends repräsentiert, wird eine neue Welt erschaffen.
    Kennzeichnend für Alicia Butterworth ist weiter, daß sie ihren Kinderglauben verloren hat, ohne einen Erwachsenenglauben gefunden zu haben (Seite 183) und somit auch in ihrer metaphysischen Orientierung über das Woher und Wohin aller Wirklichkeit ziellos ist. Die überkommene christliche Religion steckt selbst in einer Krise. Sie hat den Menschen in ihrem Leben nichts mehr zu sagen und kann nur noch an den Lebenswenden, vor allem beim Begräbnis, die Trauer verbrämen (Seite 199 f.). So wie einerseits die kirchlichen Priester nichts mehr an Lebenshilfe anzubieten haben, so haben andererseits die Naturwissenschaftler von sich selbst Abschied genommen und verstehen sich als elitäre Priester einer naturwissenschaftlichen esoterischen Kaste (Seite 264), die eifersüchtig ihre kleinen Geheimnisse hütet und ihre Eitelkeiten pflegt.
    Dies ist die Kulturatmosphäre der sogenannten ›00-Jahre‹ (Seite 159). In dieser Situation geschieht dann aber etwas Besonderes.
    Ausgerechnet diese exemplarisch für das Scheitern ihrer Kultur stehende, persönlich bisher gescheiterte Alicia Butterworth erzeugt bei einer Kollision von Elementarteilchen ein in sich eigenständiges Universum. Sie wird aus Versehen zur ›Schöpfergottheit‹.
    Zunächst scheint dieses Universum nur eine Kugel zu sein, die mit mechanischen Mitteln undurchdringlich ist, aber im Blick auf ihre Strahlungen meßbar. Sie hat die Größe einer Bowlingkugel und wird heimlich von Alicia Butterworth aus dem Brookhaven National Laboratory fort und in ihre Universität nach Irvine gebracht. Dort untersucht sie die Kugel mit ihren Mitarbeitern ›Zak
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