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Cosm

Cosm

Titel: Cosm
Autoren: Gregory Benford
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Betrachtungsweise, für die beispielhaft Siegmund Freud steht.
    So erscheint dem modernen Menschen auch die eigene Psyche plötzlich ebenso als unauslotbar. Die unauslotbar dunklen Tiefen des Selbst können nicht mehr in dem Menschen abstrakt gegenüberstehende teuflische Mächte hineinprojiziert werden. Dem menschlichen Bewußten steht plötzlich die Tiefe des Unbewußten gegenüber. Dabei wirkt das Bewußtsein wie die Spitze eines Eisberges gegenüber dem Teil, der als Unbewußtes unsichtbar unter dem ›Wasser‹ der ›Vorzeit‹ der ganzen Menschheit und auch der Tierwelt liegt, deren Urerinnerungen sich in jedem von uns abzubilden scheinen.
    Schon zum Kernbestand der Freudschen Theorie über das Unbewußte gehört beispielsweise der Gedanke, daß dieses in einer für den Menschen unauslotbaren Tiefe an die Menschheitsgeschichte gebunden sei.
    »Den Inhalt des Ubw (Unbewußten, L. H.) kann man mit einer psychischen Urbevölkerung vergleichen. Wenn es beim Menschen ererbte psychische Bildungen, etwas dem Instinkt der Tiere Analoges gibt, so macht dies den Kern des Ubw aus.« 19
    Gegenüber dem eher optimistischen freudschen Anspruch, daß aus Es Ich werden solle und könne, vertieft Carl Gustav Jung diesen Gedanken noch einmal hinsichtlich der psychischen Unendlichkeit des menschheitsgeschichtlichen Erbes in uns.
    »Das kollektive Unbewußte ist als ein Niederschlag der Erfahrung und zugleich als ein Apriori derselben ein Bild der Welt, das seit Äonen sich gebildet hat. In diesem Bild haben sich gewisse Züge, sogenannte Archetypen oder Dominanten , im Laufe der Zeit herausgearbeitet.« 20
    Diese Archetypen sind unvordenkliche Vorgegebenheiten und deshalb niemals durch das Subjekt ›einholbar‹ oder › auf arbeitbar ‹. Sie ermöglichen zwar Bilder durch die sich die Menschen orientieren können. 21 Weibliche und männliche Urbilder geben Halt in der Selbstfindung. Niemals können die Menschen aber durch diese Bilder hindurch zu den Archetypen selbst vorstoßen und diese selbst bewältigen. So eröffnet sich im Unbewußten ein Bereich der Unendlichkeit des Produzierens von Subjektvollzügen, der selbst auf immer unerreichbar ist.
    Deshalb läßt sich auch kein Archetyp auf eine einfache Formel bringen. Er ist ein Gefäß, das man nie leeren und nie füllen kann. Er existiert an sich nur potentiell, und wenn er sich in einem Stoff gestaltet, so ist er nicht mehr das, was er vorher war. Er beharrt durch die Jahrtausende und verlangt doch immer neue Deutung.‹ 22
    Auf diese Weise ergibt sich im Bewußtsein des modernen Menschen eine dreifach gestaltete quantitative Unendlichkeit – die des kosmischen Raumes, der zeitlichen Herkunft und der psychischen Dimensioniertheit.
    Aufgrund des Bezuges auf eine Form von Unendlichkeit, die zwar nicht die des metaphysisch Transzendenten, sondern des prinzipiell empirisch Quantifizierbaren ist, die aber aufgrund dieser Analogie metaphysische Probleme aufwirft, spreche ich hier von den drei metaphysischen Kränkungen der Moderne. Insofern diese ›quantifizierbaren Unendlichkeiten‹ das Bewußtsein der Anthropozentrik des Kosmos in eine Krise führen, spreche ich damit zugleich über die metaphysischen Kränkungen des modernen Menschen.
    Wie kann man den metaphysischen Kränkungen begegnen?
    Eine Möglichkeit bildet der Versuch dieser Dimensionen durch technische Mittel Herr zu werden, indem man dem menschlichen Erfindungsgeist nahezu magische Kräfte zutraut und diese dann auf seine Weise zum Gegenstand religiöser Symbolisierung macht. So entsteht im ausgehenden achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jahrhundert der Wissenschaftsglaube.
     
     
    4. Wissenschaftsangst und Wissenschaftsglaube
     
    Bis zum Beginn der Moderne – also bis in das ausgehende 18. Jahrhundert hinein – gab es Technik als ›Erfahrungstechnik‹. 23 Erfahrungstechnik muß sich den materiellen Strukturen notwendig anpassen, um sie zu nutzen. Seit der Industrialisierung beginnt hingegen ein Zeitalter der ›wissenschaftlichen Technik‹, die diese ›naturgegebenen Bestände‹ strukturell ihren Zwecken anpaßt. Es wird möglich ›Kunst‹-Stoffe zu entwickeln, die genau den Erfordernissen entsprechen, die man wünscht.
    Die Gentechnik stellt in dieser Hinsicht die fortgeschrittenste Form wissenschaftlich-technischen Verfügens über die Natur dar. Die ›Eingriffe in die Naturzusammenhänge sind von gleicher Größenordnung wie diese Prozesse selbst‹. 24
    Durch die Gentechnik gelingt es
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