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Cop

Cop

Titel: Cop
Autoren: R Jahn
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sie ist die Tochter ihres Vaters. Sie bringt zu Ende, was sie beginnt. Das hat sie von ihm.
    »Leg das Gewehr auf den Boden«, wiederholt sie mit zittriger Stimme. »Sofort.«
    Henry denkt an früher. Wie oft er sie gefesselt und an den Bestrafungshaken gehängt hat. Die vielen Jahre, die sie im Keller verbringen musste. Ihr endloses Geschrei, als sie noch klein war. Wie er zugehört hat, bis das Geschrei endlich verstummt ist.
    Er nickt, beugt sich langsam vor und legt das Gewehr auf den Boden. »Hast du Beatrice erschossen?«
    »Nein. War nicht nötig.«
    »Gut.« Er bewegt sich nicht, sondern bleibt vornübergebeugt stehen. Jetzt ist sie fast in Reichweite. Er muss nur den Arm ausstrecken. Wenn er sich schnell genug auf sie stürzt, kann er ihr vielleicht die Pistole aus der Hand reißen. »Gut. Ich will nicht, dass du auf einen Menschen schießt. Glaub mir, das wäre nicht gut für dich.«
    »Ich will es auch nicht. Aber wenn es sein muss …«
    »Ich weiß, Sarah, ich w…«
    Henry springt vor und schafft es gerade noch, sie am Handgelenk zu packen, als die Waffe losgeht. Der Knall hallt in seinen Ohren nach, er hört überhaupt nichts mehr. Verwundert stolpert er nach hinten, die Hand noch immer um Sarahs Arm geschnürt.
    Dieses Miststück. Sie hat tatsächlich geschossen. In den letzten Tagen hat er ein halbes Dutzend Cops überlebt, ohne einen einzigen Kratzer abzubekommen, und jetzt bringt ihn ein vierzehnjähriges Mädchen zur Strecke.
    So kann es nicht enden. So darf es nicht enden.
    Sarah klammert sich immer noch an die Pistole. Aber nicht mehr lange.
    Ian hockt hinter dem Wagen, das Großkalibergewehr in der Hand, die Pumpgun hinten in der Levis. Vorhin hat er einen Schuss aus der Vordertür der Schule gehört. Jetzt wartet er darauf, dass sich irgendjemand zeigt. Wer auch immer.
    Stille, gefolgt von Stille.
    Als er schlucken muss, spürt er, wie sein Adamsapfel hüpft. Sein Mund ist trocken, seine Lippen sind aufgeplatzt, seine Augen brennen.
    Hinter der Tür, im Halbdunkel des Eingangs, bewegt sich etwas. Am liebsten würde er einfach aufspringen und schießen. Aber erst muss er wissen, wer da aus dem Halbdunkel tritt. Es ist Henry. Aber er ist nicht allein. Er trägt Maggie vor sich her. Mit der einen Hand drückt er sie an seine Hüfte, mit der anderen presst er ihr eine Pistole an den Kopf. Er ist auffallend blass, Schweiß schimmert auf seiner Haut – und mitten in seinem Hals klafft ein kleines Loch. Es sieht ein wenig aus wie ein Luftröhrenschnitt. Blut läuft an seinem Hals herab und versickert in seinem Hemd, während Maggie verzweifelt versucht, seinen Arm abzuschütteln.
    Dahinter taucht Beatrice auf, mit gebeugtem Kopf und hängenden Schultern. Sie wirkt kaum anwesend.
    Ian steht auf, richtet die Remington 11-87 auf Henry und tritt hinter dem Wagen hervor. Seine Beine tragen ihn kaum noch, aber darauf kann er jetzt keine Rücksicht nehmen. So schnell wie möglich verringert er den Abstand zwischen sich und Henry um die Hälfte.
    »Lass sie gehen.«
    »Damit du mich erschießen kannst?« Henrys Stimme ist nur noch ein schwaches Krächzen. »Vergiss es.«
    »Ich werde dich so oder so erschießen.«
    Henry schüttelt den Kopf. »Oh nein. Du wirst es nicht riskieren, deine eigene Tochter zu treffen.«
    »Ich sag ’s nur noch einmal. Lass sie gehen.«
    »Nein. Ich weiß, dass du nicht schießen wirst. Ich weiß es, und du weißt es auch. Deshalb lässt du jetzt die Waffe fallen. Deshalb schaust du jetzt ganz ruhig zu, wie wir zu Rons Wagen gehen und einsteigen. Du hast verloren, Hunt. Sieh’s ein.«
    Langsam macht Henry sich auf den Weg, erst ein Schritt, dann noch ein Schritt. Offensichtlich will er zu dem weißen Toyota auf dem Parkplatz. Beatrice schleicht hinterher. Ihre nassen Augen glänzen im Abendlicht.
    »Lass die Waffe fallen, Hunt.«
    »Lass Maggie los.«
    »Waffe auf den Boden oder ich erschieße sie.« Er presst die Pistole gegen ihre Schläfe.
    Maggie sucht seinen Blick. In ihren Augen sieht Ian keine Angst, nur pure Wut. »Hör nicht auf ihn, Daddy! Du musst ihn aufhalten! Er darf mich nicht mitnehmen! Bitte … bitte mach, dass er mich nicht wieder mitnimmt!«
    »Maul halten, Sarah!«, schnauzt Henry. »Und du lässt jetzt die Waffe fallen, Hunt. Sonst ist sie tot.«
    Stechender Schmerz pulsiert in Ians Brust. Was jetzt? Wahrscheinlich könnte er Henry ausschalten, ohne Maggie zu treffen. Aber selbst das kleinste Risiko, sie zu verletzen, ist ihm noch zu groß. Es geht nicht.
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