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Cop

Cop

Titel: Cop
Autoren: R Jahn
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Todesurteil unterschrieben.
    »Kannst du was sehen?«, fragt er seinen Bruder.
    Ron kauert hinter ihm, das rechte Knie auf dem Boden, das linke Bein angewinkelt, die Waffe im Anschlag. »Nein. Scheiße, worauf warten die denn?«
    »Keine Ahnung. Aber das gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Genau in diesem Moment schiebt sich der Fahrersitz des roten Mustang nach vorne und kippt aufs Lenkrad.
    Und dahinter bewegt sich etwas – es sieht aus, als würde eine Hand auf die Rückbank greifen. Sicher kann er sich nicht sein, aber egal. Bewegung ist Bewegung.
    Einatmen. Die Luft anhalten. Zielen. Konzentration.
    Die Welt ist ein Sturm. Ich bin das Auge des Sturms.
    Ausatmen.
    Abdrücken.
    Als Ian hört, wie die Kugel in den Wagen einschlägt, zuckt er zusammen – im Gegensatz zu Diego, der ruhig auf die Rückbank greift und die Waffen herausreicht, erst die Remington 11-87, dann die Remington-Pumpgun und zuletzt die .308er samt der Sporttasche, in die sie die Munition gepackt haben. Ian zerrt die Tasche zu sich herüber und öffnet den Reißverschluss, wirft dann Diego eine Schachtel .308er Patronen zu, kramt noch einmal in der Tasche und lädt schließlich seine beiden Remingtons.
    Fertig. Er robbt am Kotflügel entlang zur Stoßstange, späht um die Ecke und hält Ausschau nach Henry. Vielleicht bewegt sich irgendwo was. Immerhin weiß er, dass die Schüsse von der anderen Seite der breiten Hauptstraße kommen, genauer gesagt von Norden. Und aus ziemlich großer Entfernung, wenn ihn seine Ohren nicht täuschen.
    »Wo bist du, du gottverdammter …«
    Schnell zieht er den Kopf zurück. Im selben Augenblick knallt ein Schuss, und einen Meter hinter der Stelle, wo eben noch seine Stirn war, bohrt sich eine Kugel in den Boden. Staub wird aufgewirbelt, Asphaltbröckchen spritzen an sein rechtes Hosenbein.
    »Sie sind auf dem Dach der Schule«, meint er. »Entfernung um die vierzig Meter.«
    Diego nickt. »Wie willst du vorgehen?«
    Für einen Moment schließt Ian die Augen. Er wollte Diego nicht in die Sache mit reinziehen, er wollte sich nicht von ihm helfen lassen. Er kann kaum glauben, worum er ihn gleich bitten wird. Aber er wird es tun. Auch wenn er sich selbst jetzt noch wünscht, Diego hätte sich vorhin überreden lassen, nach Bulls Mouth zurückzukehren. Wäre er nicht da, müsste er sich was anderes einfallen lassen. Aber er ist nun mal da.
    Ian öffnet die Augen und sieht seinem Freund ins Gesicht. Er weiß: Wenn Diego erst getan hat, worum er ihn gleich bitten wird, wird er nicht mehr derselbe sein. Nie mehr.
    »Bist du ein guter Scharfschütze?«
    Ian kauert hinter dem Mustang. Zu seiner Rechten bereitet sich Diego darauf vor, über die Straße zu einem verlassenen Eisenwarengeschäft zu sprinten. Hat er es erst mal hinter den Laden geschafft, kann er ohne größere Gefahr zu einem knapp dreihundert Meter entfernten Hotel namens Jackrabbit Inn laufen, und weiter in den dritten Stock des Gebäudes. Von dort aus sollte er freie Sicht auf das Dach der Schule haben. Und damit auf Henry Dean und seinen Bruder.
    »Bereit?«, fragt Ian.
    Diego nickt.
    Ian atmet aus. Der Atemzug verwandelt sich in ein kehliges Husten. Flüssigkeit schiebt sich seine Lunge hinauf wie modriges Wasser in einem Brunnen. Er würgt das Zeug zwischen seinen Füßen auf die Straße. Sein Gesicht ist nass von Tränen, Schmerz pulsiert in seiner Brust. Die Stirn am Kotflügel, spuckt er noch einmal aus. Bei seinem letzten Schusswechsel hat er eine Kugel abbekommen. Gleich ist es wieder so weit. Und wie heißt es so schön? Immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten, ist eine Definition von Wahnsinn.
    Er sieht Diego in die Augen. »Eins.«
    »Bist du dir sicher, dass du …«
    »Zwei.«
    Diego nickt – und Ian weiß, dass er verstanden hat. Dass er seine Antwort akzeptiert.
    »Drei.«
    Diego rennt los.
    Und Ian springt auf die Füße, reißt die Remington 11-87 hoch, presst den Schaft in die Schulterbeuge und feuert auf das Dach des Schulgebäudes. Unermesslicher Schmerz. Keinen halben Meter unterhalb von Henrys hingekauerter Gestalt spritzen Betonsplitter durch die Luft. Eine weiße Hülse wird aus dem Gewehr geschleudert, segelt als verwischter Schemen durch die Luft und fällt zu seiner Rechten auf den Asphalt. Ian drückt noch einmal ab, und ein drittes, ein viertes Mal. Henry und sein Bruder fliehen nach hinten und verschwinden aus dem Blickfeld.
    Trotzdem bleibt Ian stehen und späht hinüber zur Schule, auf die
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