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Cop

Cop

Titel: Cop
Autoren: R Jahn
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»Also gut.«
    Im nächsten Moment zieht er die Hand weg. Er atmet ein, hört das schreckliche Pfeifen – und spürt einen Druck auf der Brust. Das Pfeifen verstummt. Diego stützt sich auf ihn, die Hand mit der Plastikfolie auf der Wunde.
    »Gut«, sagt Ian. »Ich übernehme.« So schnell er kann, schiebt er die linke Hand auf die Folie. »Hilf mir mal. Ich muss raus aus dem Hemd.« Mit Diegos Unterstützung richtet er sich auf und fummelt seinen rechten Arm aus dem Ärmel. Danach legt er die rechte Hand auf das Loch und befreit auch den linken Arm. »Gut. Und jetzt fixieren wir die Plastikfolie mit dem Hemd.«
    Diego nickt. »Okay.« Er schüttelt das Hemd aus – eine Staubwolke steigt auf – und schlingt es um Ians Rücken.
    Ian sitzt, mit dem Rücken an den linken Kotflügel gelehnt, auf dem Boden und atmet tief ein und aus. Tränen des Schmerzes fließen über sein Gesicht, sein Herz holpert in der Brust. Einatmen, ausatmen. Scheiße, tut das weh. Er schließt die Augen, öffnet sie wieder. Tut das weh. Mit zittrigen Fingern tastet er nach dem orangefarbenen Fläschchen, drückt die Kappe herunter und schaut hinein. Noch drei Tramadol-Tabletten. Er kippt sich alle drei in den Mund, würgt sie hinunter und wirft das Fläschchen weg.
    »Bist du dir sicher, dass du das schaffst?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Aber jetzt sind wir nun mal hier. Also bringen wir es auch zu Ende.«
    »Okay.«
    »Holst du die Waffen von der Rückbank?«
    Maggie versucht, ihre Finger durch die Handschelle zu quetschen. Sie beißt die Zähne zusammen, aber sie kriegt den Metallring einfach nicht über den vorstehenden Daumenknöchel.
    Da hört sie den ersten Schuss.
    Beatrice zuckt zusammen und lässt die Chipstüte fallen. Ohne sich weiter darum zu kümmern, geht sie zu der Pistole hinüber, die sie vorhin auf den Boden gelegt hat, und hebt sie auf. Mit gerunzelter Stirn beäugt sie die Waffe – als würde sie sich fragen, wie das Ding in ihren Besitz gekommen ist –, legt sie wieder hin und trottet zum Fenster. Die Abendsonne scheint auf ihr Gesicht.
    Noch ein Schuss. Wieder zuckt Beatrice zusammen.
    »Kannst du was sehen?«, fragt Maggie.
    »Nein. Nur das Baseballfeld.«
    »Mein Daddy ist da. Sonst würden sie nicht schießen.«
    »Henry ist dein Daddy, Sarah.«
    »Henry ist nicht mein Daddy.«
    Zwei weitere Schüsse hallen durch das leere Schulgebäude. Der Schall wird von den Wänden zurückgeworfen und pflanzt sich weiter fort, ein Knall nach dem anderen, jedes Mal ein bisschen leiser.
    »Henry wird nie mein Daddy sein«, sagt Maggie. »Und du wirst nicht meine Mommy sein.«
    Beatrice betrachtet sie mit großen, traurigen Augen. Die eine Hälfte ihres Gesichts wird vom schwächer werdenden Tageslicht beleuchtet, die andere Hälfte liegt im Schatten. Auf der Seite wirkt sie jünger, denn die Dunkelheit verbirgt ihre Falten. »Das kannst du doch nicht sagen, Sarah. Du weißt doch, dass wir das alles nur für dich tun. Wir müssen die Familie zusammenhalten. Es gibt nichts Wichtigeres als die Familie. So wichtig bist du uns.«
    »Ich will euch aber nicht wichtig sein. Ich will zurück zu meiner richtigen Familie.«
    »Wir sind deine richtige Familie.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Mein Daddy ist da, mein richtiger Daddy. Das ist meine Familie, mein Daddy und meine Mommy und Jeffrey. Und mein Daddy ist Polizist. Er wird dich ins Gefängnis werfen, dich und Henry, und da werdet ihr nie wieder rauskommen. Ihr werdet für immer im Gefängnis sitzen, und mich wird er mit nach Hause nehmen. Dann muss ich euch nie mehr sehen.«
    »Bitte, Sarah, sag so was nicht.« Tränen schimmern auf Beatrice’ rundlichem Gesicht, doch ihre Augen glitzern nicht nur vor Trauer, sondern auch vor Wut. Ihre Arme hängen herab, ihre Hände ballen sich zu Fäusten. Fast glaubt Maggie, sie würde gleich zuschlagen.
    So hat sie noch nie mit Beatrice geredet. Sie hatte viel zu viel Angst, dass Henry davon erfahren könnte, dass er sie dafür an den Bestrafungshaken hängen würde. Aber nicht nur deshalb. Nein, Beatrice hat ihr auch ein bisschen leidgetan. Sie hat immer so traurig geschaut. Jetzt tut sie ihr nicht mehr leid, und vor Henry fürchtet sie sich auch nicht mehr. Zumindest nicht so sehr, dass sie deswegen den Mund halten würde. Jetzt will sie nur noch nach Hause, nach Hause zu ihrer richtigen Familie. Sie will es so sehr, dass ihr richtig heiß wird, eine brennende Hitze in der Brust. Dabei hat sie schon gedacht, sie würde so etwas nie
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