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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Autoren: Elisabeth Florin
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feuchten, unansehnlichen Flechten überwuchert, die magere Himalayan-Musk-Rose an der Pergola trug noch die verklebten bräunlichen Blütenreste vom letzten Herbst. Auch die Bank im hinteren Teil des Gartens hätte längst frisch gestrichen sein sollen.
    Sie blickte nach oben. Die Weinstöcke steil über ihr auf dem kleinen Teil des Küchelbergs, der noch zu ihrem Grundstück gehörte, befanden sich in einem genauso jämmerlichen Zustand wie alles andere. Sie waren ihr ganzer Stolz gewesen. Heute scherte sie sich nicht mehr darum. Inzwischen waren ihr solche Sachen ziemlich egal.
    Ihr Blick wanderte wieder durch ihren Garten. Sein Zustand passt zu allem anderen, dachte sie. Bloß dass das Grünzeug ihr kleinstes Problem war. Sachlich konstatierte sie, dass ihr die Kontrolle immer mehr entglitt. Inzwischen war nicht mehr genug von ihrer Widerstandskraft übrig, um sich dagegen zu wehren, dass ihr Leben jeden Tag ein Stückchen mehr auseinanderbrach.
    Während des Winters hatte die Frau ein wenig zur Ruhe kommen können. Aber wie trügerisch war sie gewesen, die Sicherheit, in die sie sich eingelullt hatte. Jetzt ist es wieder so weit, dachte sie. Bald fängt alles wieder von vorne an, und jedes Jahr wird es schlimmer.
    Ihr Herz fing an, laut zu klopfen. Ihr kam es so vor, als wollte es mit seinen Schlägen den Rest ihres Lebens anzählen. Plötzlich wurde ihr schwindlig, und sie musste sich am Fensterbrett festhalten. Im Haus war es furchtbar still. Nur die Standuhr tickte. Die Zeit lief ihr davon. Nicht mehr lange, dann würde sie ganz allein sein, das spürte sie. Eine Woge der Hoffnungslosigkeit überrollte sie. Das Schlimmste war, nichts machen zu können. Als ob man das eigene Leben durch eine undurchdringliche Glasscheibe beobachtete, die einen daran hinderte, einzugreifen. Man schrie »Stopp!«, aber keiner hörte einen.
    Warum will er bloß nicht wahrhaben, wie groß die Gefahr ist, fragte sie sich wohl zum hundertsten Mal. »Immer diese Weiber, die Panik schieben und einem den Spaß verderben wollen« – diese Sprüche zogen überhaupt nicht mehr bei ihr.
    Natürlich musste ihm klar sein, was passieren konnte. Es wäre ja nicht das erste Mal. Aber was bedeutete schon die Vergangenheit, wenn Dummheit, Angeberei und die Lust am Verführen im Spiel waren? Auf einmal beschlich sie ein grauenvoller Verdacht, was hinter dem Ganzen steckte.
    Was sollte sie bloß machen? Geistesabwesend blickte sie nach draußen. Die Spätnachmittagssonne lag noch auf dem Rasen. Es roch nach Frühjahr. Mit mehr Kraft als nötig schloss die Frau das Fenster und zog mit einem Ruck die Vorhänge zu. Frühjahrsromantik und Selbstmitleid brachten nichts. Sie spürte, wie ein klein wenig ihrer früheren Kraft zu ihr zurückkehrte.
    * * *
    Lissie platzierte die elegante Einkaufstüte mit der Aufschrift »La Scala« ehrfürchtig auf dem Stuhl neben sich, als sei der Inhalt ein königliches Wesen, das geruht hatte, sich von ihr auf die Terrasse der Vinoteca Alessandro an der Freiheitsstraße führen zu lassen.
    Das Unvermeidliche kündigte sich bereits an. Hinter ihren Schläfen begann das schlechte Gewissen wegen der horrenden Geldausgabe für ein paar Quadratzentimeter Straußenleder zu pochen. Lissie seufzte und grinste zugleich. Obwohl Alexander immer wieder versuchte, sie sparsamer zu programmieren, war Lissie nach wie vor eine Nasenlänge vorn. Sie schaffte es immer noch, den Laden mit ihrem Fang zu verlassen, bevor es mental zu spät war. Außerdem war es schließlich ihr Geld.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Ich hoffe, Sie halten mich nicht für aufdringlich, aber es gibt leider keinen freien Tisch mehr.«
    Lissie, die ihre Umwelt einen Augenblick lang nicht mehr wahrgenommen hatte, kam die Stimme völlig körperlos vor. Ein paar Sekunden lang starrte sie gebannt auf ihre Einkaufstüte, als ob ihr das königliche Wesen aus dem Hause Valentino, von Geburt Strauß, gerade die Ehre erwiesen hätte, das Wort an sie zu richten.
    »Fehlt Ihnen etwas?« Die belustigt klingende Stimme war eindeutig menschlich, männlich, und sprach Hochdeutsch mit Südtiroler Klangfärbung. Entschlossen schob Lissie ihre Phantasien beiseite, die nur auf den Genuss des zweiten Roten zurückzuführen sein konnten. Vor ihr stand ein Mann in ihrem Alter, dunkelhaarig, schlank und breitschultrig. Er war teuer gekleidet, auf seinem T-Shirt konnte Lissie in Brusthöhe ein eingesticktes »B« erkennen. Ihre Augen wanderten nach unten – flacher Bauch, schmale
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