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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Autoren: Elisabeth Florin
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Lippen gekommen, dass ihr Vater ihr Idol war und Supertramp und Genesis locker in den Schatten stellte. Das wäre ja so was von uncool gewesen.
    Ich hab ihn auf einen zu hohen Sockel gehoben, schon klar. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Lissie merkte, dass sie Kreuzschmerzen bekam, wie so häufig, wenn sich dieses merkwürdige Unbehagen ankündigte, das sie in letzter Zeit überfiel. Sie stand vom Bett auf, um sich Bewegung zu verschaffen, aber es war zu spät. Eine tintenschwarze Welle brandete in ihrem Kopf in Richtung Stirn und Augen. Sie fühlte wieder das vertraute Gefühl in sich aufsteigen, das früher einmal ihr ständiger Begleiter gewesen war. Die Furcht, dass ihr Vater plötzlich fort sein könnte. Lissie hatte insgeheim immer mit dem Schlimmsten gerechnet. Ein Horrorszenario nach dem anderen hatte sie sich ausgemalt. Nur das eine nicht, nämlich dass sie es sein würde, die am Ende die Schuld an seinem Verschwinden trug.
    Lissie zwang ihre Gedanken zurück in die Gegenwart. Sie nahm ihr Zimmer in Augenschein. Spärliche Möblierung, eine Kommode, ein Schrank, ein Bett mit Nachtschränkchen, alles aus Nussbaumholz. Auch die Dielen waren dunkel poliert. Hohe Wände, vermutlich weit über drei Meter, schätzte Lissie. Sie schaute sich suchend um und schauderte. Die hatten hier immer noch keine Zentralheizung. Man konnte Tradition auch übertreiben. Sie zog einen Vorhang beiseite. Und wirklich, ein elektrischer Thermostat auf Rollen tauchte verschämt hinter dem Stoff auf, wie damals, als Notheizung in besonders kalten Nächten. Brrrr.
    Lissie öffnete die Tür einen Spalt und spähte in den langen, schmalen Flur hinaus. Weiß gekalkte Wände, Kugellampen, die in regelmäßigen Abständen von der Decke hingen. Ein Krankenhausflur. Sie erinnerte sich, dass am anderen Ende Badezimmer und Toiletten untergebracht waren. Die Pensionswirtin hatte ihr offenbar das am weitesten entfernte Zimmer gegeben. Eine erzieherische Maßnahme für die verwöhnte Tussi aus Deutschland, vermutete Lissie, und machte sich murrend auf den Weg zum Bad.
    Das Oberlicht stand wie früher weit offen. Es zog. Lissie schaute in den rahmenlosen viereckigen Spiegel. Fast erwartete sie, ein keckes Teenager-Grinsen zu sehen. Ihr heutiges Gesicht kam ihr in dieser Umgebung fremd vor. Sie tastete ihre Wangenpartie ab. Die Haut fühlte sich rau und schuppig an. Genauso wie die Handtücher im Regal, dachte Lissie. Sie nahm eins aus dem nächsten Stapel. Gerippter dünner Stoff und nach dem Bügeln knochenhart. Wahrscheinlich waren es noch dieselben wie damals. Sie zog eine Grimasse und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus.
    Zurück in ihrem Zimmer, packte Lissie entschlossen ihr Handy, Geld und ein Buch aus ihrer Aigner-Handtasche in einen alten Stadtrucksack. Nachdem die Handtasche ganz hinten im Schrank verstaut war, warf sie noch einen Blick auf einen neuen Meran-Stadtplan, der in ihrem geöffneten Koffer obenauf lag. Ein Urlaubspräsent von Alexander. Was sollte sie damit? In Meran hatte sich bestimmt genauso wenig verändert wie in der Pension.
    Den Stadtplan brauchte Lissie dann wirklich nicht. Doch ansonsten war sie im Irrtum.
    * * *
    Karl Felderer trat aus der Pfarrkirche. Seine Finger krampften sich um den Hut, den er in der Hand hielt. Er war so zornig, dass er den Pfarrer, der am Eingang mit dem Kollektebeutel stand, keines Blickes würdigte. Fast wäre er auf den Steinstufen gestolpert, weil er nicht darauf achtete, was um ihn herum vorging.
    Heute war der Todestag eines Schulkameraden, der vor ein paar Jahren gestorben war. Dessen Mutter hatte wie immer eine Messe lesen lassen. Als das erste Kirchenlied gerade vorbei war und alle sich hinsetzten, pingte Karls Blackberry. Eine neue E-Mail. Als er sie gelesen hatte, bekam er kein einziges Wort mehr mit von dem, was sich vorn abspielte.
    Wie konnte Niedermeyer es bloß wagen! Aber wieso wunderte er sich darüber, der Scheißkerl versuchte ja schon seit Monaten, den ganzen Handelsverband gegen ihn aufzuhetzen. Ich hätt ihn schon viel früher abservieren müssen, knirschte Felderer. Das ist jetzt das letzte Mal, dass dieser kleine Köter mir ans Bein pinkeln will. Diesmal geb ich ihm einen Tritt, von dem er nicht wieder aufsteht.
    Die ganze Zeit während dieser verdammten Messe hatte er das Gefühl gehabt, ihm entgleite die Kontrolle. Aber jetzt, an der frischen Luft, kam ihm eine Idee. Er grinste. Warum eigentlich nicht?
    Im Gehen lockerte er seine verkrampften Schultern.
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