Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
war es nicht möglich, auch nur ein Wort zu wechseln, denn sie hatten im Gänsemarsch gehen müssen. Vorneweg Pasquale Ajena, der sich auf einen Schäferstab stützte, hinter ihm Montalbano, der sich mit einer Hand auf seine Schulter stützte, hinter ihm Augello, der sich auf Montalbanos Schulter stützte, und schließlich Fazio, der sich auf Augello stützte.
    Montalbano erinnerte sich, etwas Ähnliches auf einem berühmten Gemälde gesehen zu haben. War es Bruegel? Oder Bosch? Doch jetzt war nicht der Augenblick, an Kunst zu denken.
    Catarella, der der Letzte nicht nur in der hierarchischen Rangordnung, sondern auch in dieser Reihe war, hatte nicht den Mut, sich auf seinen Vordermann zu stützen, und so rutschte er ein ums andere Mal auf dem Schlamm aus, stieß dann gegen Fazio, der gegen Augello stieß, der gegen Montalbano stieß, der wiederum gegen Ajena stieß, und alle riskierten es, wie die Betrunkenen hinzustürzen.
    »Hören Sie, Ajena«, sagte Montalbano nervös. »Sind Sie wirklich sicher, dass das hier die Stelle war?«
    »Das alles hier gehört mir, Commissario, und ich komme jeden Tag hierher, bei Regen wie bei Sonnenschein.«
    »Wollen wir dann mal reden?«
    »Wenn Sie Lust haben zu reden, reden wir«, sagte Ajena und zündete seine Pfeife an.
    »Die Leiche befand sich Ihrer Meinung nach hier?«
    »Sind Sie taub? Was soll das heißen, meiner Meinung nach? Genau hier hat sie gelegen«, antwortete Ajena und deutete mit der Pfeife auf die ersten Tonplatten, die nur wenig von seinen Füßen entfernt waren.
    »Sie lag also im Freien.«
    »Sagen wir mal Ja und sagen wir mal Nein.«
    »Erklären Sie das genauer.«
    »Signor Commissario, hier besteht alles aus Ton, seit jeher heißt dieser Ort hier ›Critaru‹, Tonhang, und daher …«
    »Was bringt Ihnen denn so ein Stück Land ein?«
    »Ich verkaufe den Ton an die, die daraus Vasen machen, Trinkkrüge, Getreidekrüge …«
    »Also gut, erzählen Sie weiter.«
    »Na ja, wenn es nicht regnet, und hier regnet es selten, heute ist eine Ausnahme, ist der Ton ganz mit Erde bedeckt, die vom Hang oben herunterrutscht. Man muss etwa vierzig Zentimeter graben, bis man auf den Ton stößt. Hab ich mich deutlich ausgedrückt?«
    »Ja.«
    »Doch wenn es regnet, wenn es richtig heftig regnet, schwemmt das Wasser die daraufliegende Erde weg, und der Ton kommt zum Vorschein. So war’s heute Morgen: Das Wasser hat die Erde fortgespült und den Toten freigelegt.«
    »Sie sagen also, dass die Leiche in der Erdschicht vergraben war und der Regen sie wieder an die Oberfläche gebracht hat?«
    »Genau das, mein Herr. Ich bin hier vorbeigekommen, um zur Grotte hinaufzusteigen, und da sah ich den Sack.«
    Auf der Stelle erklangen im Chor die Stimmen von Montalbano, Augello, Fazio und sogar von Catarella.
    »Was für ein Sack?«
    »Ein großer Sack, schwarz, aus Plastik, ein Sack, wie man ihn für den Müll benutzt.«
    »Wie konnten Sie sehen, dass da drin eine Leiche war? Haben Sie ihn geöffnet?«
    »Den musste man nicht erst öffnen. Der Sack war ein bisschen aufgerissen, und aus dem Loch guckte ein Fuß mit fünf abgehackten Zehen heraus. Eigentlich fand ich es auch schwierig, das als Fuß zu erkennen.«
    »Abgehackt, haben Sie gesagt?«
    »Abgehackt oder von irgendeinem Hund angefressen.«
    »Verstehe. Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich bin weitergegangen und zur Grotte gekommen.«
    »Und wie haben Sie dann das Kommissariat angerufen?«, fragte Fazio.
    »Mit dem Handy, das ich eingesteckt hatte.«
    »Wie spät war es, als Sie den Sack gesehen haben?«, schaltete sich Augello ein.
    »Müsste so um sechs heute Morgen gewesen sein.«
    »Und Sie haben über eine Stunde gebraucht, um von hier bis zur Grotte zu gelangen und uns anzurufen?«, beharrte Augello.
    »Entschuldigen Sie mal, was geht Sie das eigentlich an, wie viel Zeit ich gebraucht habe?«
    »Sehr viel geht mich das an!«, versetzte Mimì angriffslustig.
    »Wir haben seinen Anruf um zwanzig nach sieben erhalten«, erklärte Fazio ihm. »Eine Stunde und zwanzig Minuten nachdem er den Sack entdeckt hatte.«
    »Was haben Sie gemacht? Haben Sie noch schnell jemanden angerufen und ihm gesagt, dass er den Toten abholen soll?«, fragte Augello, der plötzlich wie einer dieser neunmalklugen, mit allen Wassern gewaschenen Detektive aus amerikanischen Filmen auftrat.
    Voller Besorgnis wurde Montalbano klar, dass Mimì kein Theater spielte.
    »Wieso denn das? Was fällt Ihnen ein? Ich habe mit niemandem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher