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Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
Autoren: Andrea Camilleri
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eigentlich ist, ob er ein anständiger Mensch ist oder ein Verbrecher, ob er Faschist ist oder Kommunist. Zu welcher der beiden Kategorien zählst du dich?
    So nicht! Da machst du es dir zu einfach!
    Wieso?
    Weil Catarella aufgetaucht ist!
    Und welche Bedeutung siehst du darin?
    Dass ich Riinas Vorschlag tatsächlich abgelehnt habe.
    Aber du hast doch nicht einmal den Mund aufgemacht!
    Das Nein habe ich durch Catarella gesagt. Er taucht auf, zielt mit dem Revolver auf mich und sagt zu mir, er würde mich umbringen, wenn ich einwillige. Catarella steht doch für mein Gewissen.
    Was heißt das denn nun wieder, was dir da gerade herausgerutscht ist? Catarella soll dein Gewissen sein?
    Wieso denn nicht? Erinnerst du dich, was ich dem Journalisten geantwortet habe, der mich eines Tages fragte, ob ich an Schutzengel glaube? Ich habe Ja gesagt. Und da hat er mich gefragt, ob ich jemals einen gesehen hätte. Und ich habe gesagt, ich würde meinen jeden Tag sehen. Hat er auch einen Namen?, fragte der Journalist. Und ich sofort: Er heißt Catarella. Das habe ich natürlich im Spaß gesagt. Aber hinterher, bei genauerem Nachdenken, habe ich begriffen, dass das gar nicht so sehr als Spaß gemeint war, sondern dass eigentlich sehr viel Wahrheit darin lag.
    Was folgt daraus?
    Dass die ganze Geschichte andersherum ausgelegt werden muss. Die Szene mit Catarella heißt doch, dass ich, statt Riinas Vorschlag anzunehmen, vor allem bereit war, mich zu erschießen.
    Montalbà, bist du sicher, dass Freud sie so gedeutet hätte?
    Soll ich dir was sagen? Dieser Freud kann mir mal im Mondschein begegnen! Und jetzt lass mich schlafen, ich bin müde.
    Als er aufwachte, war es schon nach neun. Zwar waren keine Blitze mehr zu sehen und auch kein Donner mehr zu hören, doch das Wetter draußen musste ekelhaft sein. Wer zwang ihn eigentlich aufzustehen? Die beiden alten Narben verursachten ihm Beschwerden, und auch irgendein Zipperlein, unerfreulicher Begleiter des Alters, war zusammen mit ihm wach geworden. Lieber noch ein paar Stunden schlafen. Er stand auf, ging ins Esszimmer, zog den Telefonstecker heraus, legte sich wieder hin, deckte sich zu und schloss die Augen.
    Kaum eine halbe Stunde später schlug er sie wieder auf. Grund dafür war das ununterbrochene Schrillen des Telefons. Aber wie zum Teufel konnte es so schrillen, wo er doch sicher war, dass er den Stecker herausgezogen hatte? Wenn es also nicht das Telefon war, woher kam dann das Klingeln? Von der Türglocke natürlich, du Vollidiot! Er hatte das Gefühl, als würde in seinem Kopf so etwas wie Motoröl herumwirbeln, dickflüssig und klebrig. Er entdeckte seine Hose auf dem Boden, zog sie über und ging fluchend die Tür öffnen. Da stand Catarella, ganz außer Atem.
    »Ah, Dottori, Dottori …«
    »Hör zu, kein Wort, nicht sprechen. Ich sage dir, wann du den Mund aufmachen darfst. Ich leg mich jetzt hin, du gehst in die Küche, machst mir einen starken Espresso, gießt ihn in eine große Tasse, rührst drei Löffelchen Zucker hinein und bringst ihn mir. Und dann erzählst du mir, was du mir zu erzählen hast.«
    Als Catarella mit der dampfenden Tasse zu ihm zurückkehrte, musste er ihn wach rütteln. In den zehn Minuten war Montalbano wieder fest eingeschlafen. Was ist eigentlich los?, fragte er sich, während er den Espresso trank, der ihm wie dünne Malzkaffeebrühe vorkam. Heißt es nicht, dass man im Alter für gewöhnlich eher weniger Schlaf braucht? Aber wie kommt es dann, dass ich mehr Schlaf brauche, je älter ich werde?
    »Dottori, wie ist der Espresso?«
    »Hervorragend, Catarè.«
    Und er lief ins Bad, um sich den Mund auszuspülen, sonst hätte er sich übergeben müssen.
    »Catarè, ist die Sache dringend?«
    »Wie man’s nimmt, Dottori.«
    »Dann warte, bis ich geduscht und mir was angezogen habe.«
    Frisch und angekleidet ging er in die Küche und machte sich einen Espresso, der diesen Namen verdiente.
    Als er wieder im Esszimmer war, fand er Catarella vor der Glastür, die auf die Veranda führte. Er hatte die Fensterläden geöffnet.
    Es goss in Strömen. Das Meer war bis unterhalb der Veranda vorgedrungen, die hin und wieder beim Sog einer allzu heftigen Welle ruckelte.
    »Darf ich jetzt reden, Dottori?«, fragte Catarella.
    »Ja.«
    »Dottori, sie haben einen Toten gefunden.«
    Na, was für eine Entdeckung! Da musste wohl die Leiche von jemandem wieder aufgetaucht sein, der den weißen Tod gestorben war, wie die Journalisten das nannten, wenn jemand
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