Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
erinnerte an die Verdienste des Verstorbenen und an die Probleme, die sein Dahinscheiden mit sich bringe. Aber keiner, kein einziger, nicht einmal der einzige Fernsehkanal der Opposition, wagte bekanntzugeben, wo und auf welche Weise der tief betrauerte Ingenieur Luparello ums Leben gekommen war.

Drei
    Saro und Tana verbrachten eine unruhige Nacht. Zweifellos hatte Saro einen Schatz entdeckt wie in den Märchen, in denen bettelarme Schäfer auf Krüge voller Dukaten oder edelsteinbesetzte goldene Lämmlein stießen.
    Und doch war die Situation hier ganz anders als in den alten Geschichten: Die Kette, eine moderne Juwelierarbeit, war am Tag zuvor verloren worden, daran bestand kein Zweifel, und allem Anschein nach war das Schmuckstück ein Vermögen wert. War es denn möglich, daß niemand den Verlust gemeldet hatte? Sie saßen am Küchentisch, den Fernseher laut aufgedreht und das Fenster wie jeden Abend sperrangelweit offen, um zu verhindern, daß die Nachbarn durch eine winzige Veränderung der Routine aufmerksam wurden und zu reden anfingen. Den Vorschlag ihres Mannes lehnte Tana kategorisch ab. Er wollte die Kette gleich am nächsten Tag verkaufen, sobald das Juweliergeschäft der Gebrüder Siracusa öffnete.
    »Vor allem«, begann sie, »sind wir beide ehrliche Leute. Und deswegen können wir nicht etwas verkaufen, was uns nicht gehört.«
    »Aber was sollen wir denn deiner Meinung nach tun? Soll ich etwa zum Fuhrmeister gehen und ihm sagen, daß ich die Kette gefunden habe? Sie ihm übergeben, damit er sie dann dem Besitzer zurückgibt, sollte der sie zurückverlangen? Du kannst darauf wetten, daß es nicht mal zehn Minuten dauert, bis dieser verdammte Dreckskerl von Pecorilla sie selber verkauft.«
    »Es gibt noch eine Möglichkeit. Wir behalten die Kette hier bei uns und sagen inzwischen Pecorilla Bescheid. Wenn jemand kommt, um sie abzuholen, geben wir sie ihm.«
    »Und was springt dabei für uns raus?«
    »Der übliche Finderlohn. Der steht uns doch zu, oder? Wieviel ist die Kette deiner Meinung nach wert?«
    »Um die zwanzig Millionen Lire«, antwortete Saro wichtigtuerisch, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, mit der Summe etwas zu hoch gegriffen zu haben. »Gehen wir mal davon aus, daß uns zwei Millionen zustehen. Kannst du mir erklären, wie wir mit zwei Millionen die ganzen Behandlungen für Nenè bezahlen sollen?«
    Sie diskutierten bis zum Sonnenaufgang und hörten auch nur deshalb auf, weil Saro zur Arbeit mußte. Aber sie waren zu einer provisorischen Übereinkunft gelangt, die ihnen ihre Ehrbarkeit wenigstens zum Teil bewahrte: Sie wollten die Kette behalten, ohne irgend jemandem etwas davon zu sagen, eine Woche verstreichen lassen und sie dann, falls sich bis dahin niemand als ihr Besitzer zu erkennen gegeben hätte, verpfänden. Als Saro, erleichtert und guten Mutes, zu seinem Söhnchen ging, um ihn zum Abschied zu küssen, erwartete ihn eine Überraschung: Nenè schlief tief und fest, als ahnte er, daß sein Vater einen Weg gefunden hatte, ihn wieder gesund zu machen.
    Auch Pino fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Er war ein nachdenklicher Mensch und hatte eine Schwäche fürs Theater. Als Schauspieler war er auf den engagierten, aber immer selteneren Laienbühnen von Vigàta und Umgebung aufgetreten. Und er las Theaterstücke. Sobald sein karger Verdienst es zuließ, eilte er in den einzigen Buchladen von Montelusa, um sich Komödien und Dramen zu kaufen. Er lebte mit seiner Mutter zusammen, die eine kleine Rente bezog, am Hungertuch hatten sie also nicht zu nagen. Die Mutter hatte sich die Entdeckung des Toten dreimal berichten lassen und Pino gezwungen, die eine oder andere Einzelheit oder Besonderheit noch näher zu beschreiben. Sie wollte die Geschichte am nächsten Tag ihren Freundinnen in der Kirche und auf dem Markt weitererzählen und sich damit brüsten, daß sie all diese Dinge wußte und ihr Sohn so tüchtig war, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein. Gegen Mitternacht war sie endlich ins Bett gegangen, und kurz darauf hatte sich auch Pino hingelegt. Aber an Schlafen war nicht zu denken, da war etwas, das ihn beschäftigte. Unruhig wälzte er sich unter der Bettdecke hin und her. Er war ein nachdenklicher Mensch, hieß es, und deswegen war er nach zwei Stunden, in denen er vergeblich versucht hatte, Schlaf zu finden, zu der vernünftigen Überzeugung gelangt, daß es einfach keinen Sinn hatte.
    Er war aufgestanden, hatte sich flüchtig gewaschen und sich dann an den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher