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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
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Sturzos gewesen war. (Was die Überzeugungen des Vaters betraf, Mitglied der faschistischen Sturmabteilungen und beim »Marsch auf Rom« dabei, so hüllte man sich in gebührendes Schweigen.) Bei der FUCI (Federazione Universitaria Cattolica Italiana), welche die jungen katholischen Studenten vereinigte und so ein tragfähiges Netz von Freundschaften knüpfte, sammelte er die ersten Erfahrungen. Von da an erschien Silvio Luparello, ob auf Veranstaltungen, Feierlichkeiten oder Versammlungen, stets Seite an Seite mit den maßgebenden Persönlichkeiten der Partei. Aber immer einen Schritt hinter ihnen, mit einem halben Lächeln auf den Lippen, welches besagen sollte, daß er aus freien Stücken heraus an jenem Platz stand und nicht etwa infolge einer hierarchischen Rangordnung. Mehrfach aufgefordert, bei den Parlaments- oder Kommunalwahlen zu kandidieren, hatte er sich der Verantwortung jedesmal mit höchst ehrenwerten Begründungen entzogen, die er ebenso regelmäßig öffentlich bekanntgab. In diesen Verlautbarungen berief er sich auf jene Demut und jenen Dienst am Nächsten, welche, wie es dem Wesen des wahren Katholiken entspreche, im verborgenen und im stillen blühten. Und im verborgenen und im stillen hatte er zwanzig Jahre lang gedient. Bis er sich eines Tages, gewachsen an und gestärkt von allem, was er mit seinen scharfen Augen im verborgenen gesehen hatte, selbst treue Diener angeschafft hatte, allen voran den Abgeordneten Cusumano. Dann legte er dem Senator Portolano und dem Abgeordneten Tricomi die Livree an (die Zeitungen nannten sie »brüderliche Freunde«, »ergebene Jünger«), hatte binnen kurzer Zeit die ganze Partei in Montelusa und Umgebung unter Kontrolle und dazu achtzig Prozent aller öffentlichen und privaten Ausschreibungen. Das Erdbeben, das ein paar Mailänder Richter ausgelöst hatten und das die seit fünfzig Jahren an der Macht befindliche politische Klasse ins Wanken brachte, vermochte ihn nicht im geringsten zu erschüttern. Im Gegenteil. Da er immer hinter den Linien gestanden hatte, konnte er jetzt aus der Deckung treten, sich hervortun, gegen die Bestechlichkeit seiner Parteigenossen wettern. Im Laufe eines knappen Jahres war er als Vorkämpfer der Erneuerung auf Betreiben der Parteimitglieder segretario provinciale, Provinzsekretär, geworden. Leider waren zwischen diesem triumphalen Erfolg und seinem Tod nur drei Tage vergangen. Eine der beiden Zeitungen bedauerte, daß einer Persönlichkeit von so hohem und herausragendem Rang durch ein unerbittliches Schicksal nicht die Zeit beschieden gewesen sei, die Partei zu altem Glanz zurückzuführen. Beide Blätter erinnerten in ihren Nachrufen einstimmig an die grenzenlose Großzügigkeit und Herzensgüte Luparellos, die stete Bereitschaft, in jeder schmerzlichen Situation Freund wie Feind die Hand zu reichen. Mit einem Frösteln fiel Montalbano ein kurzer Filmbeitrag ein, den er im vergangenen Jahr in einem lokalen Fernsehsender gesehen hatte. Der Ingenieur Luparello weihte eine kleines Waisenhaus in Belfi ein, dem Geburtsort seines Großvaters, das zudem auf den Namen des Großvaters getauft wurde. An die zwanzig Kinder, alle gleich gekleidet, sangen ein Dankesliedchen auf den Namensgeber, der ihnen gerührt zuhörte. Der Text dieses Liedchens hatte sich unauslöschlich ins Gedächtnis des Commissario eingebrannt: »Quant'è buono, quant'è bello/ l'ingegnere Luparello.«
    Nicht nur über die Umstände seines Todes sahen die Zeitungen hinweg. Ebenso schwiegen sie über die Gerüchte, die seit Jahren über die weitaus weniger öffentlichen Geschäfte kursierten, in die der Ingenieur verwickelt war. Man sprach von gefälschten öffentlichen Ausschreibungen, von Schmiergeldern in Millionenhöhe, von Nötigungen, die bis zur Erpressung reichten. Und immer wieder tauchte in dem Zusammenhang der Name des Advokaten Rizzo auf, zunächst als Laufbursche, dann Vertrauensmann und zuletzt alter ego Luparellos. Aber es handelte sich stets nur um Gerüchte, um Behauptungen, die weder Hand noch Fuß hatten. Es hieß auch, daß Rizzo als Mittelsmann zwischen dem Ingenieur und der Mafia agierte. Zumindest was das betraf, war es dem Commissario unter der Hand möglich gewesen, einen geheimen Bericht einzusehen, der von Devisenhandel und Geldwäscherei sprach. Reine Verdächtigungen natürlich, nichts weiter, denn diese Verdächtigungen konnten niemals bewiesen werden. Jeder Antrag auf Erlaubnis zu Nachforschungen hatte sich im Labyrinth desselben
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