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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
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lassen?«
    »Ja.«
    »Du hast dich selbst befördert, wie?« fragte Livia, nachdem sie lange Zeit schweigend dagesessen hatte. »Vom Commissario zum Gott, einem Gott vierten Ranges, aber doch immerhin einem Gott.«
    Kaum dem Flugzeug entstiegen, stürzte Montalbano augenblicklich in die Flughafenbar. Er brauchte dringend einen richtigen Kaffee nach all dem unwürdigen dunklen Spülwasser, das man ihm während des Fluges zugemutet hatte.
    »Was machen Sie denn hier, Ingegnere? Fliegen Sie nach Mailand zurück?«
    »Ja, ich muß wieder arbeiten, ich bin schon zu lange Zeit weg. Und ich werde mir auch ein größeres Haus suchen. Sobald ich es gefunden habe, wird meine Mutter nachkommen. Ich will sie nicht alleine zurücklassen.«
    »Da tun Sie wirklich gut daran, auch wenn sie in Montelusa die Schwester hat und den Neffen…«
    Der junge Ingenieur erstarrte augenblicklich. »Ja, wissen Sie es denn noch nicht?«
    »Was?«
    »Giorgio ist tot.«
    Montalbano stellte die Tasse ab. Den Kaffee hatte er vor Schreck verschüttet.
    »Was ist geschehen?«
    »Erinnern Sie sich, daß ich Sie am Tag Ihrer Abreise angerufen habe, um Sie zu fragen, ob er sich bei Ihnen gemeldet hat?«
    »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Am nächsten Morgen war er immer noch nicht zurückgekommen. Da habe ich es für meine Pflicht gehalten, die Polizei und die Carabinieri zu verständigen. Sie haben ausgesprochen oberflächliche Nachforschungen angestellt, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten. Vielleicht waren sie zu sehr mit den Ermittlungen im Mordfall des Avvocato Rizzo beschäftigt. Am Sonntag nachmittag hat ein Fischer von einem Boot aus ein Auto bemerkt, das direkt unterhalb der Kurve von Sanfilippo die Klippen hinuntergestürzt war. Kennen Sie die Gegend? Das ist kurz vor dem Capo Massaria.«
    »Ja, ich kenne den Ort.«
    »Gut, der Fischer ruderte auf den Wagen zu, sah jemanden auf dem Fahrersitz sitzen und beeilte sich, den Unfall zu melden.«
    »Hat man die Unfallursache herausgefunden?«
    »Ja. Wie Sie wissen, lebte mein Cousin seit Papàs Tod praktisch in einem Zustand geistiger Umnachtung, zu viele Beruhigungsmittel, zu viele Schlaftabletten. Statt die Kurve zu nehmen, ist er geradeaus weitergefahren. Außerdem war er viel zu schnell und ist durch die Mauer gerast. Nach dem Tod seines Onkels hat er sich einfach nicht mehr gefangen. Er hegte eine regelrechte Leidenschaft für meinen Vater, er liebte ihn.«
    Er sprach die beiden Worte, Leidenschaft und Liebe, mit fester, klarer Stimme aus, als wolle er damit jede mögliche Zweideutigkeit im Keim ersticken. Dann wurden die Passagiere des Fluges nach Mailand aufgerufen.
    Sobald Montalbano den Flughafenparkplatz verlassen hatte, drückte er das Gaspedal seines Wagens voll durch. Er wollte an nichts denken, sich nur auf das Fahren konzentrieren. Nach etwa hundert Kilometern hielt er am Ufer eines künstlichen Sees an. Er stieg aus, öffnete den Kofferraum, nahm die Halskrause heraus, warf sie ins Wasser und wartete, bis sie versunken war. Erst dann lächelte er. Er hatte wie ein Gott handeln wollen, da hatte Livia ganz recht gehabt, aber als Gott vierten Ranges hatte er bei seiner ersten und, wie er hoffte, letzten Erfahrung immerhin voll ins Schwarze getroffen.
    Um nach Vigàta zu kommen, mußte er zwangsläufig am Polizeipräsidium von Montelusa vorbeifahren. Und genau dort entschied sich sein Auto, den Geist aufzugeben. Montalbano versuchte mehrmals, es wieder in Gang zu bringen. Vergeblich. Er stieg aus und wollte gerade ins Präsidium hineingehen, um Hilfe zu holen, als sich ihm ein Beamter näherte, der ihn kannte und der seine erfolglosen Bemühungen beobachtet hatte. Der Beamte öffnete die Motorhaube, hantierte ein wenig herum, schlug sie wieder zu.
    »Alles in Ordnung. Aber lassen Sie ihn bei Gelegenheit mal durchchecken.«
    Montalbano setzte sich wieder ins Auto, ließ den Motor an, bückte sich, um einige Zeitungen aufzuheben, die hinuntergefallen waren. Als er sich aufrichtete, sah er Anna, auf das offene Seitenfenster gestützt, neben dem Wagen stehen. »Ciao, Anna, wie geht's dir?«
    Das Mädchen antwortete nicht, blickte ihn einfach nur an.
    »Nun, was gibt's?«
    »Und du wärst dann also das, was man einen ehrlichen Mann nennt?« zischte sie.
    Montalbano begriff, daß sie auf die Nacht anspielte, in der sie Ingrid halbnackt in seinem Schlafzimmer gesehen hatte.
    »Nein, das bin ich nicht«, sagte er. »Aber bestimmt nicht aus dem Grund, auf den du anspielst.«

Anmerkung des
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