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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
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Polizeipräsidenten, damit dieser sehen könnte, was er, Montalbano, sah. Der Ingenieur Luparello war immer ein eleganter Mann gewesen, ausgesprochen gepflegt, was sein Äußeres anbelangte. Jetzt aber war er ohne Krawatte, das Hemd zerknittert, die Brille hing ihm schief auf der Nase, der Kragen des Jacketts war unziemlich hochgestellt, die Socken heruntergeschoben und so lose, daß sie über die Mokassins fielen. Was den Commissario aber am meisten schockierte, war die bis zu den Knien hinuntergelassene Hose, der Slip, der aus dem Innern der Hosen weiß herausleuchtete, und das zusammen mit dem Unterhemd bis zur Brust aufgerollte Hemd.
    Und das Geschlecht: schamlos, anstößig zur Schau gestellt, groß, behaart und in scharfem Kontrast zu dem feingliedrigen Bau des restlichen Körpers. »Wie ist er gestorben?« wiederholte er seine Frage an den Dottore und zog den Kopf wieder aus dem Auto. »Da gibt es ja wohl überhaupt keinen Zweifel, oder?« antwortete Pasquano schroff. »Wußten Sie denn nicht, daß der arme Ingegnere in London von einem weltbekannten Kardiologen am Herzen operiert worden ist?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Ich habe ihn am vergangenen Mittwoch im Fernsehen gesehen, und da machte er einen völlig gesunden Eindruck auf mich.«
    »Schien so, war aber nicht so. Wissen Sie, in der Politik sind sie alle wie die Hunde. Kaum haben sie herausgefunden, daß du dich nicht wehren kannst, zerfleischen sie dich. Offenbar hat man ihm in London zwei Bypässe gelegt. Es heißt, es sei eine komplizierte Operation gewesen.«
    »Und bei wem war er in Montelusa in Behandlung?«
    »Bei meinem Kollegen Capuano. Er ließ sich wöchentlich untersuchen, achtete auf seine Gesundheit, wollte immer topfit wirken.«
    »Was meinen Sie: Soll ich mit Capuano sprechen?«
    »Vollkommen überflüssig. Was hier geschehen ist, liegt doch auf der Hand. Der arme Ingegnere hatte Lust auf einen guten Fick, vielleicht mit einer von diesen exotischen Nutten, hat seinen Spaß gehabt und ist dabei draufgegangen.«
    Er bemerkte, daß Montalbano abwesend ins Leere starrte.
    »Überzeugt Sie das nicht?«
    »Nein.«
    »Und warum nicht?«
    »Tja, das weiß ich selber nicht. Schicken Sie mir morgen die Ergebnisse der Autopsie rüber?«
    »Morgen? Sie sind ja verrückt! Vor dem Ingegnere habe ich noch die zwanzigjährige Kleine, die in einem verlassenen Bauernhaus vergewaltigt wurde. Zehn Tage später hat man sie dann gefunden, halb aufgefressen von den Hunden. Dann ist Fofò Greco an der Reihe, dem sie die Zunge und die Eier abgeschnitten haben, um ihn anschließend an einem Baum zum Sterben aufzuhängen. Danach kommt…«
    Montalbano unterbrach die makabre Aufzählung. »Pasquano, ohne langes Hin und Her, wann bekomme ich die Ergebnisse?«
    »Übermorgen, wenn sie mich in der Zwischenzeit nicht weiter durch die Gegend hetzen, um Tote zu begutachten.« Sie verabschiedeten sich. Montalbano rief den Brigadiere und seine Leute zusammen, gab die nötigen Anweisungen und sagte ihnen, wann sie die Leiche in den Krankenwagen laden konnten. Dann ließ er sich von Gallo zum Kommissariat bringen. »Du fährst anschließend zurück und holst die anderen ab. Aber ich warne dich, wenn du rast, hau' ich dir die Fresse ein.«
    Pino und Saro unterschrieben die Aussage. Darin war feinsäuberlich jede ihrer Bewegungen festgehalten, vor und nach dem Fund der Leiche. Im Protokoll fehlten allerdings zwei wichtige Details, weil die Müllmänner sich gehütet hatten, sie der Polizei auf die Nase zu binden: erstens, daß sie den Toten gleich erkannt hatten, und zweitens, daß sie unverzüglich den Advokaten angerufen hatten, um ihm von ihrer Entdeckung zu berichten. Nun gingen sie nach Hause, Pino, der mit seinen Gedanken offensichtlich woanders war, und Saro, der ab und zu die Hosentasche befühlte, in der er die Halskette hatte verschwinden lassen.
    Zumindest innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden würde nichts geschehen. Am Nachmittag ging Montalbano nach Hause, warf sich aufs Bett und schlief drei volle Stunden lang. Dann stand er auf, und weil das Meer jetzt, mitten im September, glatt wie ein Spiegel war, schwamm er eine gute Runde. Wieder daheim, bereitete er sich einen Teller Spaghetti mit Seeigelfleisch zu und schaltete den Fernseher ein. Alle lokalen Nachrichten sprachen natürlich vom Tod des Ingenieurs und ergingen sich in Lobreden. Hin und wieder erschien ein Politiker auf der Bildfläche, mit einem dem Anlaß angemessenen Gesichtsausdruck, und
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