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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
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Philosophen, die in tiefgründige Gedanken versunken waren. In Wahrheit jedoch liefen sie mit wachen Augen umher, suchten den Boden nach einem Indiz, einer Spur, einem Fußabdruck ab. Kaum hatte Jacomuzzi, der Chef des Erkennungsdienstes, Montalbano entdeckt, eilte er ihm entgegen. »Wieso sind eigentlich keine Reporter hier?«
    »Dafür habe ich gesorgt.«
    »Dieses Mal bringen sie dich ganz bestimmt um! Wie konntest du ihnen einen solchen Knüller vorenthalten?«
    Er war sichtlich nervös. »Weißt du, wer der Tote ist?«
    »Nein. Aber du wirst es mir gleich sagen.«
    »Es ist der Ingegnere Silvio Luparello.«
    »Scheiße!« stieß Montalbano hervor. Es war seine einzige Bemerkung.
    »Und weißt du, wie er ums Leben kam?«
    »Nein. Und ich will es auch nicht wissen. Ich schau' mir das lieber selber an.«
    Jacomuzzi kehrte beleidigt zu seinen Leuten zurück. Der Fotograf des Erkennungsdienstes war bereits fertig. Jetzt war Dottor Pasquano an der Reihe. Montalbano sah, daß der Arzt in einer unbequemen Position arbeiten mußte. Er steckte zur Hälfte im Auto und machte sich zwischen Beifahrer- und Fahrersitz zu schaffen, wo man eine dunkle Gestalt erkennen konnte. Fazio und die Beamten von Vigàta gingen den Kollegen von Montelusa zur Hand.
    Der Commissario zündete sich eine Zigarette an, dann wandte er sich um und betrachtete die Chemiefabrik. Sie faszinierte ihn, diese Ruine. Er nahm sich vor, eines Tages zurückzukehren, um Fotos zu machen, die er dann Livia schicken würde. Er wollte ihr mit diesen Bildern ein paar Dinge von sich und seiner Heimat nahebringen, die sie noch nicht zu begreifen vermochte. Ihr fehlte der sizilianische Geist.
    Indessen traf der Richter Lo Bianco ein. Aufgeregt stieg er aus dem Wagen.
    »Stimmt es tatsächlich, daß der Tote der Ingegnere Luparello ist?«
    Offensichtlich hatte Jacomuzzi keine Zeit verloren. »Sieht ganz so aus.«
    Der Richter gesellte sich zu den Leuten vom Erkennungsdienst, begann erregt mit Jacomuzzi und Dottor Pasquano zu sprechen, der eine Flasche Alkohol aus seiner Tasche gezogen hatte und sich die Hände desinfizierte. Nach einer Weile, die genügte, um Montalbano unter der Sonne garzukochen, stiegen die Männer vom Erkennungsdienst ins Auto und fuhren davon. Jacomuzzi fuhr grußlos an ihm vorbei. Montalbano hörte, wie die Sirene des Krankenwagens hinter ihm verstummte. Jetzt war er an der Reihe, er mußte zur Tat schreiten, da half kein Gott. Er schüttelte die Trägheit von sich ab, in der er sich schwitzend geräkelt hatte, und ging auf das Auto zu, in dem der Tote lag. Auf halber Strecke trat ihm der Richter entgegen. »Die Leiche kann weggebracht werden, und angesichts des Bekanntheitsgrades des armen Ingegnere, je eher, desto besser. In jedem Fall halten Sie mich täglich auf dem laufenden, was den Fortgang der Ermittlungen anbelangt.«
    Er hielt inne und fügte dann einschränkend hinzu: »Rufen Sie mich an, wann immer Sie es für erforderlich halten.«
    Eine weitere Pause. Schließlich: »Natürlich zu den Bürozeiten, daß das klar ist.«
    Montalbano ging davon. Zu den Bürozeiten, nicht daheim. Zu Hause, das war allbekannt, widmete sich der Richter Lo Bianco der Abfassung eines umfangreichen und aufwendigen Werkes: Leben und Unternehmungen Rinaldo und Antonio Lo Biancos, vereidigte Lehrmeister an der Universität von Girgenti zur Zeit König Martins des Jüngeren (1402-1409). Er hielt die beiden für seine, wenn auch recht nebulösen, Ahnen. »Wie ist er gestorben?« erkundigte Montalbano sich beim Dottore.
    »Sehen Sie selbst«, antwortete Pasquano und trat zur Seite.
    Montalbano steckte den Kopf ins Auto, in dem die Gluthitze eines Ofens herrschte, erblickte zum ersten Mal die Leiche und mußte sogleich an den Polizeipräsidenten denken.
    Der Polizeipräsident fiel ihm nicht etwa deswegen ein, weil es seine Gewohnheit gewesen wäre, an den Beginn seiner Ermittlung den Gedanken an den Dienstobersten zu stellen. Vielmehr hatte er mit dem alten Polizeipräsidenten Burlando, mit dem er befreundet war, vor etwa zehn Tagen über ein Buch von Philippe Ariès, Geschichte des Todes, gesprochen. Sie hatten es beide gelesen. Der Präsident war der Meinung gewesen, daß sich jeder Tod, selbst der elendeste, eine gewisse Heiligkeit bewahre. Montalbano hatte erwidert, und er hatte es ehrlich gemeint, daß er in keinem Tod, nicht einmal in dem eines Papstes, etwas Heiliges entdecken könne. Er hätte ihn jetzt gerne an seiner Seite gehabt, den Herrn
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