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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Autoren: Andrea Camilleri
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Nacht, die restliche Zeit lag er mit weitaufgerissenen Augen in seinem Bettchen, ohne auch nur ein einziges Mal zu weinen. Aber wer hätte je von Babies gehört, die niemals schreien? Tag auf Tag verzehrte ihn eine Krankheit, von der man weder die Ursache noch die Behandlungsmethode kannte. Die Ärzte von Vigàta wußten sich keinen Rat, man hätte den Kleinen woanders hinbringen müssen, zu irgendeinem berühmten Spezialisten, aber es fehlte an Geld. Kaum kreuzte sein Blick den des Vaters, verfinsterte sich Nenès Gesicht, legte sich eine Falte quer über seine Stirn. Er konnte nicht sprechen, aber der stumme Vorwurf an denjenigen, der ihm jene Fessel angelegt hatte, war als Aussage deutlich genug.
    »Es geht ihm ein bißchen besser, das Fieber geht zurück«, sagte Tana, seine Frau, nur um Saro ein wenig aufzuheitern.
    Der Himmel hatte sich aufgeklärt, die Sonne brannte erbarmungslos, nun herrschte eine Gluthitze. Saro hatte seine Karre schon ein dutzendmal auf der Müllkippe entladen, die auf eine Privatinitiative hin am früheren Hinterausgang der Fabrik entstanden war. Der Rücken tat ihm höllisch weh. Als er in Reichweite eines Feldweges kam, der an der Schutzmauer entlanglief und in die Landstraße einmündete, sah er etwas hell Glitzerndes auf dem Boden liegen. Er bückte sich, um genauer hinzuschauen. Es war ein Anhänger in Herzform, riesig, mit Brillanten besetzt. In der Mitte prangte ein auffallend großer Diamant. Er hing noch an der Halskette aus Massivgold, die an einer Stelle gerissen war. Blitzartig schnellte Saros Rechte nach vorn, ergriff die Kette und ließ sie in der Hosentasche verschwinden. Die rechte Hand: die, so meinte Saro, wie aus eigenen Stücken gehandelt hatte, ohne daß das Gehirn, von dem überraschenden Fund noch völlig benommen, ihr irgendeinen Befehl gegeben hätte. Schweißgebadet richtete er sich wieder auf und blickte sich um, aber es war keine Menschenseele zu sehen.
    Pino, der sich das näher am Sandstrand gelegene Stück der Mànnara ausgesucht hatte, bemerkte plötzlich die Schnauze eines Autos, die in etwa zwanzig Metern Entfernung aus den Sträuchern herausragte, wo die Macchia dichter war als andernorts. Er blieb wie angewurzelt stehen. Es konnte doch unmöglich sein, daß jemand um diese Uhrzeit, morgens um sieben, immer noch mit einer Nutte zugange war. Er pirschte sich vorsichtig an, setzte zaghaft einen Fuß vor den anderen, den Oberkörper vornübergebeugt. Als er auf der Höhe der Scheinwerfer angekommen war, richtete er sich auf. Es geschah nichts, niemand, der ihm zugerufen hätte, er solle sich gefälligst um seinen eigenen Kram kümmern. Das Auto wirkte verlassen. Er wagte sich noch näher heran, und schließlich erblickte er die Gestalt eines Mannes, der reglos auf dem Beifahrersitz saß, den Kopf nach hinten gelehnt.
    Man hätte glauben können, er schliefe tief und fest. Aber Pino hatte den dunklen Verdacht, ja, spürte es plötzlich körperlich, daß da irgend etwas nicht stimmte. Er drehte sich um und rief aufgeregt nach Saro. Dieser kam keuchend und mit schreckgeweiteten Augen herbeigeeilt. »Was is'n los? Was zum Teufel hast du? Was ist denn in dich gefahren?«
    Pino glaubte eine gewisse Aggressivität aus den Fragen des Freundes herauszuhören, schrieb dies aber der Hast zu, mit der jener herbeigerannt war. »Schau mal da hin.«
    Pino nahm all seinen Mut zusammen, näherte sich der Fahrerseite und versuchte, die Wagentür zu öffnen, was ihm aber nicht gelang, da der Sicherheitsknopf hinuntergedrückt war. Mit Saros Hilfe, der sich einigermaßen beruhigt zu haben schien, versuchte er die Tür auf der Beifahrerseite zu erreichen, an der der Körper des Mannes seitlich lehnte. Aber er schaffte es nicht, weil das Auto, ein großer grüner BMW, so nah am Gestrüpp stand, daß sich von dieser Seite her niemand hätte nähern können. Als die beiden sich jedoch über die Brombeersträucher hinweg nach vorn beugten, wobei sie sich gehörig zerkratzten, konnten sie das Gesicht des Mannes besser sehen. Er schlief nicht. Er hielt die Augen offen, den Blick ins Leere gerichtet. Im selben Moment, in dem ihnen klar wurde, daß der Mann tot war, blieben Pino und Saro vor Schreck wie versteinert stehen - nicht wegen der Leiche, der sie gegenüberstanden, sondern weil sie den Toten erkannt hatten.
    »Ich komm' mir vor wie in einer Sauna«, stöhnte Saro, während er mit Pino die Landstraße entlang zu einer Telefonzelle lief. »Einmal ist mir kalt, dann ist mir
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