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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe
Autoren: Donna Leon
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ist?«
    »Die gehören keinem«, beteuerte Morandi. »Alle, die sie haben wollten, sind tot.«
    »Wie sind Sie daran gekommen?«
    »Die alte Französin hatte sie bei sich im Haus. In einem Wäschekorb.« Brunettis beunruhigte Miene veranlasste ihn zu versichern: »Nein, nein, in einer Plastikbox auf dem Boden. Da konnte nichts passieren.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti. »Aber wie sind Sie beide daran gelangt?«
    »Maria hat nichts davon gewusst. Das hätte ihr nicht gefallen. Überhaupt nicht. Sie hätte nicht zugelassen, dass ich sie nehme.«
    »Ah, verstehe, verstehe«, sagte Brunetti und fragte sich, wie oft er das noch würde sagen müssen, wenn er etwas so Unwahrscheinliches zu hören bekam. Morandi hatte die Zeichnungen seit Jahrzehnten in seinem Besitz, und sie sollte nichts davon gewusst haben?
    »Cuccetti hat sie mir gegeben. Noch an dem Abend, als wir das Papier beglaubigt haben.« Brunetti registrierte, dass Morandi das Wort »Testament« vermied. Finster fügte der alte Mann hinzu: »Ich habe ihn dazu gebracht.«
    »Warum?«
    »Weil ich ihm nicht getraut habe«, sagte Morandi mit großem Nachdruck.
    [294]  »Und die Wohnung?«, fragte Brunetti, statt näher auf Cuccettis Vertrauenswürdigkeit einzugehen.
    »Die hatte er mir ursprünglich versprochen, als er mich fragte, ob wir etwas unterschreiben wollten. Ich habe ihm schon da nicht getraut, und später auch nicht. Leute wie ihn kannte ich zur Genüge. Erst hätte er mir die Wohnung überlassen, und dann hätte er sie mir wieder weggenommen. Mit irgendwelchen juristischen Tricks. Schließlich war er Anwalt«, sagte Morandi, und es klang kaum anders, als wenn er irgendeinen Vogel als Geier bezeichnet hätte.
    Brunetti kannte selbst genug Anwälte und nickte nur.
    »Also habe ich ihm gesagt, was ich will.«
    »Woher wussten Sie davon und worum es sich handelte?«
    »Die alte Frau hatte Maria davon erzählt, wie wertvoll sie wären, und Maria hat es mir erzählt.« Damit Brunetti keinen falschen Eindruck gewann, ergänzte er hastig: »Nein, nicht, was Sie denken. Sie hat es nebenbei erwähnt, als sie von ihrer Arbeit und den Patienten erzählte und was die ihr alles anvertrauen.« Er wandte kurz den Blick ab, als sei es ihm unangenehm, in Gesellschaft eines Mannes zu sein, der so etwas von Signora Sartori denken konnte. »Es war meine Idee, nicht ihre. Sie hat nichts davon gewusst. Sie hat nicht geahnt, dass ich sie habe.«
    Brunetti ertappte sich bei dem herzlosen Gedanken: Wieso wusste sie dann von dem Schlüssel?
    »Wie hat Cuccetti reagiert?«
    »Wie schon?«, fragte Morandi schroff zurück. »Die Alte hätte es sowieso nicht mehr lange gemacht.« Und um das zu verdeutlichen: »Das konnte jeder sehen, also war mir klar, dass er es eilig hatte.« Brunetti bemerkte lieber nichts dazu, [295] dass Morandi damit mehr über sich selbst sagte, als ihm bewusst sein dürfte.
    »Ich habe ihm gesagt, ich unterschreibe nur, wenn er mir das Zeug überlässt.« Morandis Redeweise erinnerte Brunetti daran, warum er ihn für einen Rohling gehalten hatte. Seine Stimme war so kalt wie sein Blick; je länger er erzählte, desto schmaler wurden seine Lippen. Brunetti gab sich weiterhin vollkommen gleichgültig.
    »Und dann ging es der Alten plötzlich sehr schlecht - keine Ahnung, was sie hatte. Irgendwas mit der Atmung. Jedenfalls ist Cuccetti in Panik zu ihrem Haus gerannt, hat das Zeug geholt, ins Krankenhaus gebracht und in ihren Schrank gelegt.«
    »Wozu denn das?«, fragte Brunetti.
    Morandis Antwort kam prompt: »Falls jemand fragte, konnte er sagen, sie habe ihn darum gebeten, es zu holen, damit sie es sich noch mal ansehen konnte.« Offenbar hielt er das für einen besonders cleveren Schachzug Cuccettis, denn er nickte anerkennend. »Aber sie hat gar nichts mehr gesehen, so verblödet, wie sie inzwischen war.«
    Brunetti dachte an Dantes Diebe, die sich in Echsen verwandelten, doch aisgleich in ihrer alten Gestalt wiedererstanden.
    »Und dann haben Sie unterschrieben?«
    »Ja«, sagte Morandi.
    »Und Signora Sartoris Unterschrift ist ebenfalls echt?«
    Wieder wurde Morandi rot, so rot wie noch nie. Er hatte das Kämpfen satt und sank sichtlich in sich zusammen. »Ja«, sagte er und ließ in Erwartung der nächsten Frage Brunettis den Kopf sinken.
    [296]  »Was haben Sie ihr erzählt?«
    Morandi setzte zum Sprechen an, musste aber plötzlich heftig husten. Er beugte den Kopf über die Knie und hielt ihn so, bis der Anfall vorüber war, dann lehnte er sich
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