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Columbus

Titel: Columbus
Autoren: Waldtraut Lewin
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seinen Arbeitsbereich heute am ehesten mit dem eines Chefs der Finanzen beschreiben. Seine Titel klingen auf Spanisch sehr hoheitsvoll: Santangel ist Escarbano de racion (in etwa: Kanzler) und Contado mayor (Generalzahlmeister). Aber das hindert Isabella nicht daran, diesen Herren, der dringend um ein Gespräch ersucht hat, erst ein bisschen zappeln zu lassen. Sie kann ihn nämlich nicht leiden und dafür gibt es mehr als eine Ursache. Zum einen, weil er ein Günstling ihres Gemahls ist, also zu dem Teil des Hofes gehört, den sie mit »angeheiratet« hat und dem sie aus unterschiedlichen Gründen misstraut. Und zum anderen seine Herkunft... Aber diese Königin kann sich zwar Gefühle leisten, aber sie ist viel zu sehr gewiefte Politikerin, um sich von ihnen steuern zu lassen.
    Ungeduldig geht Santangel also im Vorzimmer auf und ab, eine große, schwarz gewandete, schwarzlockige, schwarzbärtige Gestalt, sein Rücken ist leicht gebeugt, und seine Hände, an denen große Ringe blitzen, hält er hinterm Rücken verschränkt. Das goldene Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trägt, ist mit Edelsteinen besetzt.
    Er hat sich mit seinen Freunden beraten, und alle sind sich einig: Man darf diesen Colón nicht wegschicken! Aber dann erfuhr er zu seinem Entsetzen: Der Mann war inzwischen schon aufgebrochen! Gefahr im Verzug! Schnell zur Königin! Und nun geht er schon fast eine Stunde hier im Vorraum auf und ab.
    Dieses Santa Fé, diese Befestigung vor den Toren Granadas, von wo aus die Königin die Stadt belagert hat - wie er diese Ansammlung von Zelten und Zweighütten hasst, wie er dieses Heerlager, umgeben von Palisaden und Gräben, ohne Hygiene, ohne Komfort verabscheut! Ohne weiteres hätten die Majestäten nach dem Sieg über die Mauren am 2. Januar in Granada ein Quartier nehmen können. Aber statt nach dem triumphalen Einzug in die Stadt nun dort zu bleiben und es sich im Alhambrapalast, im Luxus der vertriebenen muslimischen Herrscher, wohl sein zu lassen, war Isabella hierher zurückgekehrt - (Ferdinand, ihr Gemahl, war inzwischen ohnehin wieder auf der Jagd). Sie vertrat den Standpunkt, dass es Gott nicht wohlgefällig sei, wenn sie diesen Ort verlassen würde, bevor nicht der Letzte der Ritter, Kämpfer und Soldaten von hier heimwärts gekehrt sei in sein Heimatland, denn viele hatten geholfen, die »Heiden« mit zu bekämpfen. Eine Frau mit eisernem Pflichtbewusstsein.
    Und so geht nun Santangel in diesem aus rohen Brettern errichteten Raum hin und her, statt Türen gibt es nur Vorhänge, das Kohlebecken schwelt, statt zu wärmen, und die Feldstühle sind unbequem.
    Endlich. Ein Schreiber schlägt den schweren Wollvorhang zurück. »Ihre Majestät lässt bitten.«
    Santangel strafft sich.
    Isabella von Kastilien sitzt hinter ihrem Schreibtisch und unterzeichnet Dokumente, die ihr ein zweiter Schreiber vorlegt. Santangel geht auf die Knie und wartet, dass sie ihm das Zeichen gibt, sich zu erheben, und er weiß schon, dass sie ihn wieder eine Weile da unten lassen wird.
    In dem trüben Licht, das sich durch die geraffte Zeltplane am Fenster seinen Weg bahnt, sieht ihr Gesicht unter dem weißen Schleiertuch, das sie wie immer trägt, noch kalkiger und ungesünder aus: aufgedunsene Wangen, ein Doppelkinn, der stets missmutig verzogene Mund. Isabella weiß: Sie ist so reizlos, dass es die Mühe nicht wert ist, sich hinter Schminkkünsten zu verstecken. Sie ist ja auch nicht wegen ihrer Schönheit zur mächtigsten Frau der iberischen Halbinsel geworden …
    Endlich: eine knappe Bewegung der molligen königlichen Hand. Man darf sich erheben und näher treten. Die blaugrauen Augen - ebenfalls ungeschminkt, klein, fast wimpernlos - mustern ihr Gegenüber mit dem üblichen Ausdruck von Missmut. Und dann die Stimme, unerwartet klangvoll und klar: »Es muss eine sehr dringliche Angelegenheit sein, Contado mayor, wenn Ihr so auf einem Gespräch besteht.«
    Â»Doña Isabel - Cristobal Colón ist abgereist.«
    Â»Nun«, sagt die Majestät gelassen, »das wundert mich nicht. Wir waren ja nun wirklich dabei, seine Angelegenheit wohlwollend zu prüfen. Und da kommt er mit den Forderungen eines Wahnwitzigen daher und macht alles kaputt. Der Seefahrer ist ein Narr, und es gibt Leute, die das schon immer gesagt haben.«
    Ja, Euer Gemahl, denkt Santangel, und aus verschiedenen
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