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Collector

Collector

Titel: Collector
Autoren: Markus Heitz
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sagte sie und klang so gar nicht wie eine Vierjährige. »Aber die Obhut bleibt aufrecht.«
    »Nein!« Faye wartete, bis die Ausstrahlung des Berichts wiederholt wurde.
    Tatsächlich hatten die Keepers Kris' Stimme benutzt, um ihre Botschaft zu formulieren. Die Worte stammten aus Unterhaltungen, die er im Beisein von ihnen mit Menschen geführt hatte. Die benötigten Fragmente waren einfach ausgeschnitten und neu zusammengefügt worden. Die Keepers beherrschten demnach ein Grundverständnis für menschliche Syntax.
    Was Faye hören musste, sorgte für Übelkeit.
    »Schützenswerte, bedrohte Rasse Mensch«, sagte der Keeper mit der Kris-Stimme. »Wir entschuldigen uns tausendfach für die schrecklichen Taten, die Teile unseres Volkes an der Spezies Mensch begangen haben. Es hätte niemals so weit kommen dürfen, dass eine kostbare Rasse der Abhängigkeit, dem Hunger nach Fleisch zum Opfer fällt. Die Statistiken bedrücken uns sehr. Es war uns eine freudige Pflicht, die Menschheit von dem Übel zu befreien.« Der Keeper bewegte sich kaum und erinnerte an ein Standbild. »Schützenswerte, bedrohte Rasse Mensch. Wir stehen tief in der Schuld der Menschheit. Wir haben die Systeme mit den größten Verlusten an Männern und Frauen, die durch die Schlacht erzeugt wurden, ermittelt und werden sie unter unsere Obhut stellen, damit die Bevölkerung bald wieder die alte Stärke erreicht. Unsere Schiffe sind auf dem Weg, unsere Aufbauprogramme starten bald. Schützenswerte, bedrohte Rasse Mensch. Bitte, wehren Sie sich nicht gegen unsere Bemühungen. Wir sind Ihre Freunde, Ihre Helfer und Ihre Beschützer. Wir können nicht zulassen, dass der Homo sapiens zugrunde geht. Unseren Berechnungen nach können wir die Obhut je Planet nach zwanzig Jahren wieder aufheben. Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit. Friede und Wohlstand für alle.«
    Danach begann die Botschaft von vorne.
    Faye hatte noch nicht verarbeitet, was sie gerade gehört hatte. Die VHR war am Boden, die Keepers hatten keinerlei Gegenwehr zu fürchten und drehten jetzt erst richtig auf.
    Wegen der Verluste, die die Collectors und der 20T angerichtet hatten.
    Was für eine Scheiße!
    Dieses Mal gibt es keinen Ausbruch aus der Obhut. Die ganzen Anstrengungen, die Strapazen, die vielen Toten, um sich von der Bevormundung zu befreien, erschienen ihr plötzlich sinnlos. Viele Planeten würden in den kommenden zwanzig Jahren ihre Freiheit aufgeben müssen. Paradigma gehörte zu ihrer Erleichterung nicht dazu.
    »Habe ich im Schlaf gesprochen?«, murmelte Kris hinter ihr. »Faye?«
    Ihr Herz tat einen Freudensprung. Sie wandte sich zu ihm um. Endlich!
    Er öffnete die Augen, sah sie an, dann bemerkte er Soraya an seiner Seite.
    Selten hatte Faye eine derartige Überraschung und Überwältigung im Gesicht eines Menschen gesehen. Sie lächelte und freute sich unsagbar für ihn. »Du hast Besuch bekommen«, sagte sie mit belegter Stimme. »BaIn hat sie dir übergeben. Sie haben sie geheilt. Und du hast das Sorgerecht.«
    Kris schluckte, blickte auf die kleinen Finger, die seine hielten. »Hallo, Soraya.«
    »Hallo, Papa«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Ich habe mich so auf dich gefreut!« Sie wartete seine Erlaubnis gar nicht ab, sondern hüpfte zu ihm aufs Bett und umarmte ihn.
    Faye sah, dass Kris weinte, und auch sie spürte Tränen an den Wangen herablaufen. Wenigstens ein kleines Happy End.
    Sie schaltete den Fernseher aus. Die schlechten Nachrichten würden sie noch oft genug hören. Jetzt zählte allein der Moment.
    Als ihr Kom-Gerät wieder summte und Tannmanns ID angezeigt wurde, drückte sie den Air Marshai einfach weg. Auch er musste warten. Die Keepers mussten warten.
    Wir haben uns Ruhe verdient. Sie setzte sich auf den Stuhl und nahm Kris' rechte Hand. Sollen dieses Mal andere die Helden spielen.
    Er lächelte ihr zu. Glück sprach aus seinen Augen, unendliches Glück.
    Sie beugte sich nach vorn und gab ihm am Schopf seiner Tochter vorbei einen langen Kuss auf die Lippen.
     

Zweite Szene
29. Juni 3042 a. D. [Erdzeit]
    SYSTEM: UNBEKANNT
     
    Die Cortés schoss aus dem Interim, ganz in der Nähe der BaIn-Forschungsstation Shiva's Fortress. Nach mehreren Kurzstreckensprüngen und einem Besuch in einer abgelegenen Werft, um das Schiff von allen Schäden befreien zu lassen, hatten sie ihr Ziel erreicht.
    Joule saß auf der Kommandobrücke im Sessel, wo sonst Kris seine Aufgabe verrichtet hatte. Uschtrow verharrte neben ihr, eine Hand am Griff seiner
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