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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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animalischen Pünktchen in Uh-Ohs Augen sah und wusste, dass er es mit Absicht getan hatte. Ich war Frischfleisch. Irgendetwas in meinem Bauch machte Plopp und blitzte auf, wie eine winzige, innere Flamme, die kalt und blau zu brennen begann. Angst, Selbstmitleid, Wut – all diese schwächenden Empfindungen ebbten ab und eisiger Zorn erfüllte mich.
    Heute ist mir klar, dass ich dieses mächtige innere Phänomen in diesem Augenblick zum ersten Mal erlebte. Damals führte es allerdings zunächst nur dazu, dass ich mich unbesiegbar fühlte.
    Ein Schatten muss über meine Augen gezogen sein, denn Uh-Oh hörte auf zu grinsen und blinzelte heftig, und in dieser Sekunde des Verharrens sprang mein Außenbordmotor an – Gerade, Gerade, Schlag, Haken! Uh-Oh stöhnte auf, weil es für ihn zu spät war, seine Nase zu schützen. Ich hatte die Hände hoch erhoben und wollte gerade mit der nächsten Kombination loslegen, als die blaue Flamme verlosch wie eine Geburtstagskerze und die eiskalte Wut mit sich nahm. Ihr plötzliches Kommen und Gehen war verwirrend und erschreckend und brachte mich aus dem Gleichgewicht, und das hatte Uh-Oh wohl auch sofort gemerkt. Er ließ seine Handschuhe sinken und griff an, und obwohl ich mich bloß wie die kleine Sara Jane fühlte, kam für mich Flucht oder Aufgeben nicht infrage. Ich hielt stand, als er mich mit einem Hagel von Schlägen bedachte, die sich anfühlten, als ob ein Haus über mir einstürzte, ein Zementstein nach dem anderen.
    »Hört sofort auf! Sofort, verdammt noch mal!«
    Wir fuhren auseinander und drehten uns zu Onkel Willy um. Uh-Oh federte schuldbewusst in den Knien, und ich schwankte benommen. Mein Gegner bekam von unserem Trainer ganz schön was zu hören, aber wir wussten beide, wer eigentlich schuld war. Als Uh-Oh die hundert Liegestütze machte, die er zur Strafe aufgebrummt bekommen hatte, zog Willy mir den Kopfschutz herunter, betrachtete meine anschwellende Nase und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Nach all dem, was ich dir beigebracht habe«, sagte er und reichte mir einen Eisbeutel, »bist du trotzdem mit einem größeren und besseren Kämpfer in den Ring gestiegen?«
    »So viel besser ist der gar nicht«, schmollte ich.
    »Doch, das ist er. Viel besser.«
    »Ich hab ihn aber auch erwischt. Das war komisch, Willy. Ganz kurz wurde da innen in mir alles ganz ruhig, und gleichzeitig wurde ich total wütend.« Das waren die Worte, mit denen ich dieses Phänomen zu beschreiben versuchte, das ich damals zum ersten Mal empfand und erst jetzt allmählich zu verstehen beginne.
    »Adrenalin oder sowas.« Er zuckte die Achseln. »Darum geht es nicht. Tatsache ist, dass du als Kämpferin versagt hast.«
    Ich nahm den Eisbeutel von meiner Nase. »Ich habe versagt, weil ich mich gewehrt habe? Weil ich tapfer war und nicht aufgegeben habe oder weggelaufen bin? Das ist verrückt.«
    »Nein, verrückt ist, so eine Tracht Prügel zu kassieren, wie ich sie gerade gesehen habe, und dann noch stehen zu bleiben und sie hinzunehmen.«
    Ich zuckte verteidigend die Achseln und sagte: »Ich wette, mein Dad hätte auch nicht aufgegeben, als er noch geboxt hat.«
    Willy stieß ein verächtliches kleines Lachen aus. »Ich sag dir mal was über deinen Daddy. Anthony Rispoli war ein cleverer Boxer. Wenn der merkte, dass er in die Klemme geraten war, dann hat er zugesehen, dass er da wieder rauskam, und zwar schnell.« Er richtete seinen Blick auf mich, ohne zu blinzeln, und sagte: »Wenn so was mal wieder passiert, Kleine, dann haust du auch besser ab.«
    »Aber Willy …«
    »Aber gar nichts. Weißt du, was man von Muhammad Ali sagte, dem größten Schwergewichtsboxer aller Zeiten? Dass er wie eine Biene stach, ja, sicher, aber genauso hieß es von ihm, dass er schwebte wie ein Schmetterling. Denk mal drüber nach. Ein Schmetterling schlägt nicht zu und steht auch nicht da wie ein Ölgötze, wenn ihm das Hirn rausgeprügelt wird. Dieser weise kleine Falter schlägt mit den Flügeln und sieht zu, dass er dem Ärger aus dem Weg geht. Und das macht ein guter Boxer auch … er lernt, wie er sich aus dem Staub macht, ohne getroffen zu werden. Dafür haben wir ein Hirn, Kleine.«
    Im Laufe der folgenden Jahre, in denen ich unter Willy weiter trainierte und er mir alle wichtigen Elemente der Kampfkunst beibrachte, betonte er mir gegenüber immer wieder, dass Boxen ein Sport für Denker ist und nicht für Raufbolde, dass die erprobten und für gut befundenen Regeln unbedingt befolgt werden
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