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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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zu.
    Onkel Buddy lächelte, aber er schien es nicht so lustig zu finden, als Willy nun weiter davon erzählte, dass mein Vater den idealen Körperbau für einen leichten Mittelgewichtler hatte. Onkel Buddy war mit seiner kurzen, gedrungenen Statur ein wenig zu schwer und zu langsam für einen Boxer. Doch dann klopfte Willy Onkel Buddy auf die Schulter und sagte: »Aber keiner hat sich je so angestrengt wie Buddy. Und niemand war härter. Du konntest wirklich einen Knuff vertragen, mein Junge. Du hattest ein großartiges Kinn.«
    Onkel Buddy rieb sich das besagte Kinn und grinste mich an, als er sagte: »Ich habe im Ring von deinem Dad wirklich eine Menge einstecken müssen, Sara Jane. Schließlich habe ich Tag und Nacht mit ihm trainiert. Ohne mich hätte er den Wettkampf nicht gewonnen.«
    »Das stimmt«, sagte Willy. »Ohne Buddys Hilfe hätte er es nicht geschafft.«
    Dieses Mal lächelte Onkel Buddy und sah dabei wirklich aus, als ob er sich freute. Dann legte er mir die Hand auf den Kopf und fragte: »Na, Willy, was meinst du?«
    Später erfuhr ich, dass es im Boxsport allgemein hieß, Willy Williams hätte besonders scharfe Augen, wenn es um junge Talente ging. Wenn er jemanden von Kopf bis Fuß musterte, dann konnte er selbst einem sechsjährigen Mädchen ansehen, ob sie das Zeug zu einer Kämpferin hatte oder nicht. Und wenn sich Willy einmal eine Meinung gebildet hatte, ob nun über die Tauglichkeit eines Menschen im Ring, über Politik oder Baseball oder zu irgendeinem anderen Thema, dann verpackte er sein Urteil in einen kleinen Reim. Willy sah mich an und strich sich über das Kinn. Schließlich deutete er mit dem Finger auf mich und sagte:
    »Sara Jane,
    das kann ich sehn,
    in dir steckt
    ein Boxer, der die Fäuste reckt.«
    Noch am gleichen Tag begann ich, bei Willy zu trainieren, und das habe ich nie bereut. Ich fing langsam an, bewegte mich erst einmal vorsichtig im Ring und gewöhnte mich an den Rhythmus und die Bewegungen, während Willy mir beibrachte, wie ich meine Hände einsetzen und was ich mit den Füßen machen sollte – wie man sich dreht und bewegt und wie man einem Hieb ausweicht oder sich darunter wegduckt. Es dauerte nicht lange, und mein Hirn und mein Körper arbeiteten zusammen, wobei das Hirn strategisch die Bewegungsabläufe vorgab und der Körper die Befehle ausführte, bis aus dieser Partnerschaft ein homogener Kämpfer erwuchs – ich. Wenn die körperlichen und geistigen Kräfte eines Boxers zu einem einzigen Ich verschmelzen, dann ist das eine ungeheuer bestärkende, aufbauende Erfahrung, und ich spürte, wie das auch bei mir geschah. Es war, als ob ich Kontrolle über etwas erlangte, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass es überhaupt in mir steckte. Gewissermaßen fühlte es sich wie eine Art Upgrade an, als ob das Originalmodell von Sara Jane mit zusätzlichen, neuen Eigenschaften ausgestattet wurde. Manchmal vollführte ich, bevor ich abends ins Bett ging, noch ein Dutzend Kombinationen vor dem Spiegel. Schneller, schneller, schneller! , dachte ich und beobachtete, dass meine Hände wie Kolben schlugen und meinem Befehl gehorchten.
    Willy erklärte mir auch den Unterschied zwischen einem Boxkampf und einer Abreibung.
    Er sagte, es käme auf die Absicht an, mit der zwei Boxer gegeneinander antraten. Wenn ein älterer, größerer und erfahrenerer Kämpfer einen kleineren »für ein kleines Sparring« in den Ring bat, dann betrachtete der Ältere in der Regel den Neuen als schweren Sandsack mit Beinen, oder, wie Willy das nannte, als »Frischfleisch«. Der jüngere Kämpfer sollte für den älteren ein bewegliches Ziel darstellen, damit der herausarbeiten konnte, was mit seiner linken Geraden oder mit dem Cross-Schlag noch nicht stimmte. Wenn dann schließlich die Glocke erklang und der Kleinere noch aufrecht stand, dann sah er in der Regel aus, als hätte er gerade eine handgreifliche Auseinandersetzung mit der Ketchupflasche verloren. Willy wies mich an, nie mit einem erfahreneren Kämpfer in den Ring zu steigen, schon gar nicht, wenn er selbst nicht zugegen war.
    Heute, mit sechzehn, frage ich mich immer noch, was zum Teufel sich mein achtjähriges Ich damals dachte, seine Anweisungen in den Wind zu schlagen, als ich wieder einmal zum Training im Windy City war.
    Das Problem war, ich dachte gar nicht.
    Stattdessen sprühte ich vor Adrenalin, nachdem ich dreißig Minuten lang wie ein Wirbelwind verschiedene Kombinationen mit Willy ausprobiert hatte. Ich stand vor einem
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