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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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während ich darauf wartete, dass sich mal wieder jemand mit mir beschäftigte.
    Und das war die Zeit, da Onkel Buddy mir das Boxen näherbrachte.
    Mir gefiel der Sport sofort, und ich gab meine Ballettstunden auf, um lieber kämpfen zu lernen.
    Ganz ehrlich, ich bin ziemlich stolz auf meinen linken Haken.
    Boxen war eine recht ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung für ein sechsjähriges Mädchen, das muss ich zugeben – fast so ungewöhnlich wie heute für eine Sechzehnjährige. Aber es ist eine ebenso elegante Sportart wie Ballett, und wenn man es richtig beigebracht bekommt, dann begreift man, dass die wahre Kunst nicht im Zuschlagen liegt, sondern darin, den Schlägen geschickt auszuweichen. Aber auch, wenn ich gelernt habe, wie ich mich behaupten kann: Ich bin niemand, der sich gerne prügelt. Meine Waffen waren vielmehr das Selbstbewusstsein, das ich mir von meinem Dad abguckte, und die kühle Logik, die meine Mutter in mir weckte.
    Und dann gibt es noch ein paar Dinge an mir, die sind einfach … ich.
    Ich bin nicht schüchtern, ich bin still. Und ich bin kein Mauerblümchen, ich bin eine Beobachterin.
    Jedenfalls hatte Onkel Buddy wohl irgendwie gemerkt, wie verloren ich mir vorkam, und eines Nachmittags holte er mich in seinem roten Cabrio ab und fuhr mit mir zur Southwest Side von Chicago, zu einem Studio, das Windy City Gym hieß und sich im zweiten Stock eines verrußten Lagerhauses befand. Als wir eintraten, wirkte das ganze Gebäude völlig verlassen. Wir stiegen eine dunkle Treppe hinauf, und Onkel Buddy sagte, ich sollte auf die Stufen aufpassen, dann öffnete er eine Flügeltür, und plötzlich umfing uns Sonnenlicht, das durch große Oberlichter ins Innere des Hauses fiel. Der Raum, den wir nun betraten, war sehr geräumig und groß, und die hohe Decke wurde von sich überkreuzenden dicken Holzbalken getragen. Von diesen Balken hingen schwere Säcke herunter, von denen einige rhythmisch von Jungen bearbeitet wurden, die sich die Hände mit Bandagen umwickelt hatten. Es gab Spiegel und Punchingbälle und Springseile, die an den unverputzten Wänden hingen, neben zahlreichen alten Fotos und abblätternden Postern der Boxer, die im Windy City trainiert hatten. In der Mitte des Raums, angestrahlt von staubigem Sonnenlicht, befand sich ein Boxring. Eigentlich war es kein Ring, sondern vielmehr eine mit Leinwand bespannte, viereckige Matte. Zwei Männer umkreisten sich dort, tänzelten umeinander herum, bewegten die Schultern und schlugen ihre Boxhandschuhe aneinander. Es roch nach Kreide und man hörte das Quietschen der Turnschuhe, das Surren eines Springseils und eine blecherne Glocke. Mir wurde bewusst, wie klein und zierlich mein Körper sich in diesem Umfeld ausnahm und wie dünn meine Schultern und Beine waren, aber trotzdem spürte ich in diesem Augenblick, dass ich mich genau dort befand, wo ich sein wollte.
    Onkel Buddy legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte: »Sara Jane, das ist Willy Williams.« Ich stand vor einem Afroamerikaner, der fast so klein war wie mein Großvater Enzo, allerdings ein wenig älter. Er trug eine Brille mit Metallfassung, hatte eine Schiebermütze auf dem Kopf und einen grauen, ausgefransten Schnurrbart unter seiner Nase. Er streckte mir seine Hand hin. Als ich sie schüttelte, lächelte er, und sein Lächeln gab mir das Gefühl, wärmstens willkommen zu sein.
    »Das ist also die Kleine von Anthony und Teresa. Du siehst genauso aus wie deine Mama, weißt du das? Abgesehen von deinen Augen. Die hast du von deinem Vater.«
    Das sagten mir die Leute dauernd, deswegen nickte ich und lächelte zurück.
    »Wie alt bist du, Sara Jane?«
    »Sechs.«
    »Du liebe Zeit, schon so groß.« Er nickte zu den Boxern im Ring, die sich hart angingen, und sagte: »Lass dir von den Jungs da keine Angst machen, meine Kleine.«
    »Sie machen mir keine Angst«, sagte ich, und tatsächlich war ich vielmehr völlig fasziniert von dem Kampf. »Es sieht so aus, als ob es Spaß macht.«
    »Spaß?«, fragte er und hob die Augenbrauen, bis sie über den Rand der Brille lugten, dann grinste er. »Aber sag mal, hast du gewusst, dass dein Daddy einmal einen sehr wichtigen Boxwettkampf gewonnen hat?«
    Das hatte ich nicht, und es überraschte mich auch sehr. »Wirklich?«, fragte ich. »Stimmt das?«
    »Ja. Ich habe ihn selbst trainiert. Ich habe auch deinen Onkel hier trainiert. Anthony beherrschte allerdings einen linken Haken, den Buddy nie kommen sah«, sagte Willy und zwinkerte Onkel Buddy
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