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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul
Autoren: Schutzengel
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kommen uns dabei vor wie ein Kind, das davon
träumt, Filmschauspieler oder Filmschauspielerin zu werden. Und vergessen,
dass in den Augenblicken, in denen wir für ein unsichtbares Publikum spielten,
das Gefühl, beobachtet zu werden, sehr intensiv war.«
    Er schwieg nachdenklich.
    »Wenn ich in den Himmel schaue,
kommt dieses Gefühl häufig zurück und mit ihm die Frage: Wer beobachtet uns?«
    »Und wer beobachtet uns?«, fragte
sie.
    »Engel. Die Boten Gottes.«
    Sie starrte in den Himmel. Sie
wollte Paulo nur allzu gern glauben.
    »Alle Religionen und auch alle
Menschen, die >das Außergewöhnliche schon gesehen haben<, sprechen von
Engeln«, fuhr Paulo fort. »Das Universum ist von Engeln bevölkert. Sie sind es,
die uns Hoffnung bringen, wie derjenige, der den Hirten die Geburt des Messias
verkündet hat. Sie bringen auch den Tod, wie jener Würgeengel, der durch
Ägypten zog und alle vernichtete, die kein Zeichen an ihrer Tür hatten. Sie
sind es, die uns mit einem Feuerschwert in der Hand den Zutritt zum Paradies
verwehren können. Oder uns hereinbitten können, wie ein Engel es mit Maria
getan hat.
    Die Engel öffnen die Siegel der
verbotenen Bücher, sie blasen die Trompeten des Jüngsten Gerichts. Sie bringen
das Licht wie Michael oder die Finsternis wie Luzifer.«
    Chris fasste sich ein Herz und
fragte:
    »Haben sie Flügel?«
    »Ich habe noch nie einen Engel
gesehen«, antwortete Paulo. »Aber ich würde es auch gern wissen. Und habe J. gefragt.«
    >Wie gut<, dachte sie. Dann
war sie also nicht die Einzige, die grundsätzliche Fragen zu Engeln hatte.
    »J. hat gesagt, dass sie die Form
annehmen, die wir uns vorstellen. Denn in ihnen hat Gottes Denken eine
lebendige Form angenommen, und sie müssen sich unserem Wissen und unseren
Vorstellungen anpassen. Ihnen ist klar, dass wir sie nicht sehen können, wenn
sie es nicht tun.«
    Paulo schloss die Augen.
    »Stell dir deinen Engel vor, und
du wirst in diesem Augenblick seine Gegenwart spüren«, sagte er.
    Sie lagen in der Wüste und
schwiegen. Sie hörten keinerlei Geräusch, und Chris fühlte sich wieder in den
Film ihrer Jugendjahre zurückversetzt, in dem sie für ein unsichtbares Publikum
gespielt hatte. Je mehr sie sich darauf konzentrierte, umso sicherer war sie
sich, dass etwas Starkes, Freundliches und Großzügiges gegenwärtig war. Sie
begann, sich ihren Engel vorzustellen, schmückte ihn so, wie sie ihn auf den
Bildern ihrer Kindheit gesehen hatte: blaues Gewand, goldenes Haar, riesige
weiße Flügel.
    Auch Paulo stellte sich seinen
Engel vor. Er war schon sehr oft in die unsichtbare Welt, die ihn umgab,
eingetaucht, darum war das alles für ihn nicht neu. Aber seit J. ihm diese
Aufgabe gestellt hatte, spürte er, dass sein Engel sehr viel gegenwärtiger war
- als würden die Engel sich nur von jenen bemerken lassen, die an ihre Existenz
glaubten. Obwohl sie immer da waren, egal, ob die Menschen nun an sie glaubten
oder nicht - Boten des Lebens, des Todes, der Hölle oder des Paradieses.
    Er kleidete seinen Engel in einen
langen, goldbestickten Umhang und gab ihm ebenfalls Flügel.
     
    E in
Polizist nahm am Nebentisch sein Frühstück ein. Plötzlich sprach er sie an:
»Gehen Sie nicht wieder nachts in die Wüste«, sagte er. >Der Ort ist
tatsächlich sehr klein<, dachte Chris. >Hier erfährt jeder immer sofort
alles.<
    »Nachts ist es am gefährlichsten«,
fuhr der Polizist fort. »Da kommen die Koyoten und
die Schlangen hervor. Sie ertragen die Hitze am Tag nicht und beginnen erst
nach Sonnenuntergang zu jagen.«
    »Wir haben dort unsere Engel
gesucht«, meinte Paulo. Der Polizist verstand ihn nicht. Der Satz, den der Mann
gesagt hatte, ergab für ihn keinen Sinn: »Engel!« Bestimmt meinte der Fremde
etwas ganz anderes.
    Paulo und Chris beendeten schnell
ihr Frühstück. Der »Kontakt« hatte ihr Treffen sehr früh angesetzt.
     
    Chris war überrascht, als sie Took zum ersten Mal sah - er war ganz jung, kaum älter als
zwanzig, und wohnte einige Kilometer außerhalb von Borrega Springs am Rande der Wüste in einem Wohnwagen.
    »Und das soll ein Meister der
>Konspiration< sein?«, flüsterte sie Paulo zu, als der junge Mann in den
Wohnwagen gestiegen war, um Eistee zu holen.
     
    Took kam
zurück, bevor Paulo eine Antwort geben konnte. Sie setzten sich unter eine
Segeltuchplane, die am Fahrzeug entlanggespannt war
und als eine Art Verandadach diente.
    Die beiden Männer sprachen über
die Rituale der Tempelritter, über Reinkarnation,
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